Auswärtige Sitzung in Freiburg (Otfried Höffe)
erst ein instrumentelles Ziel, während das Leitziel als Oikopoiese zu bestimmen
ist: Die Natur wird für die Zwecke des Menschen hergerichtet (-poiesis), auf dass
sie schließlich zum oikos, zur Heimat des Menschen, werde. Eine sinnvolle Tech-
nik sucht die Natur so umzugestalten, dass sie zu einer für den Menschen mög-
lichst vertrauten „heimatlichen“ Umwelt werde.
3. Risiken und Risikoforschung
So ursprünglich wie die drei genannten Dimensionen der Technik sind auch die
zwei Grundarten der mit der Technik einhergehenden Risiken. Zum einen gibt
es die vorneherein auf Aggression und Destruktion ausgerichtete Technik, na-
mentlich Waffen und Gifte. Zum anderen kann so gut wie jede für Emanzipation
und Konstruktion entwickelte Technik zu Aggression und Destruktion zweck-
entfremdet werden. Weitere Probleme kommen hinzu. Sie setzen an beim Uber-
schusspotential der Technik: dass die als Selbstbehauptung begonnene Technik wie
von allein in Lebenserleichterung und Luxus übergeht. Sie setzen sich fort in zu
optimistischen Diagnosen, die (negative) Nebenfolgen, einschließlich der zuneh-
menden Abhängigkeit von der Technosphäre, verdrängt. Ferner addiert sich die
facettenreiche Naturumformung zu einer Überbeanspruchung der Natur. Nicht
zuletzt kommt es zu Großrisiken.
Ein Gegenmittel besteht in einer Ergänzung der üblichen Forschung um eine
Risikoforschung. Diese hat zumindest die Art der drohenden Gefahren zu erkun-
den und sodann zu überlegen, ob die vorher unklaren, daher zum Teil unheimli-
chen Gefahren in klare, zugleich überschaubare, schließlich beherrschbare Risiken
sich umwandeln lassen. Nicht zuletzt hat sie die personalen und sozialen, ökologi-
schen und kulturellen, selbst ästhetischen Kosten einer etwaigen Beherrschbarkeit
abzuschätzen. Nur eine Gesellschaft, deren Politik auf beiden Forschungsarten,
auf der gewöhnlichen, die Technik und die Technisierung vorantreibenden und
auf der Risikoforschung aufbaut, ist gegen die Gefahr eines Pessimismus gefeit, der
die Verbindung von Wissenschaft und Technik mit Demokratie und Rechtstaat,
kurz: der die moderne Zivilisation, für einen schrecklichen Irrtum hält.
4. Tentative Freiheitsbilanz
Weder de facto noch gar notwendigeiweise fällt die Technik für den Menschen
letztlich stärker bedrohlich als segensreich aus. Im Gegenteil dürften die großen
technischen Entwicklungen der Menschheit per Saldo mehr Chancen der Frei-
heit als deren Bedrohung bieten. Die Fähigkeit, Feuer zu entfachen, dürfte bislang
weitaus häufiger gewärmt als verbrannt und Geräte wie das Messer dürften weit
öfter die Arbeit erleichtert als Mitmenschen gefährdet haben. Überdies lassen sich
heute Folgelasten wie das Übermaß an Schadstoffen und Abfall und die Verar-
mung der Ressourcen ohne die einschlägigen Technikformen, die Wiederverwer-
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erst ein instrumentelles Ziel, während das Leitziel als Oikopoiese zu bestimmen
ist: Die Natur wird für die Zwecke des Menschen hergerichtet (-poiesis), auf dass
sie schließlich zum oikos, zur Heimat des Menschen, werde. Eine sinnvolle Tech-
nik sucht die Natur so umzugestalten, dass sie zu einer für den Menschen mög-
lichst vertrauten „heimatlichen“ Umwelt werde.
3. Risiken und Risikoforschung
So ursprünglich wie die drei genannten Dimensionen der Technik sind auch die
zwei Grundarten der mit der Technik einhergehenden Risiken. Zum einen gibt
es die vorneherein auf Aggression und Destruktion ausgerichtete Technik, na-
mentlich Waffen und Gifte. Zum anderen kann so gut wie jede für Emanzipation
und Konstruktion entwickelte Technik zu Aggression und Destruktion zweck-
entfremdet werden. Weitere Probleme kommen hinzu. Sie setzen an beim Uber-
schusspotential der Technik: dass die als Selbstbehauptung begonnene Technik wie
von allein in Lebenserleichterung und Luxus übergeht. Sie setzen sich fort in zu
optimistischen Diagnosen, die (negative) Nebenfolgen, einschließlich der zuneh-
menden Abhängigkeit von der Technosphäre, verdrängt. Ferner addiert sich die
facettenreiche Naturumformung zu einer Überbeanspruchung der Natur. Nicht
zuletzt kommt es zu Großrisiken.
Ein Gegenmittel besteht in einer Ergänzung der üblichen Forschung um eine
Risikoforschung. Diese hat zumindest die Art der drohenden Gefahren zu erkun-
den und sodann zu überlegen, ob die vorher unklaren, daher zum Teil unheimli-
chen Gefahren in klare, zugleich überschaubare, schließlich beherrschbare Risiken
sich umwandeln lassen. Nicht zuletzt hat sie die personalen und sozialen, ökologi-
schen und kulturellen, selbst ästhetischen Kosten einer etwaigen Beherrschbarkeit
abzuschätzen. Nur eine Gesellschaft, deren Politik auf beiden Forschungsarten,
auf der gewöhnlichen, die Technik und die Technisierung vorantreibenden und
auf der Risikoforschung aufbaut, ist gegen die Gefahr eines Pessimismus gefeit, der
die Verbindung von Wissenschaft und Technik mit Demokratie und Rechtstaat,
kurz: der die moderne Zivilisation, für einen schrecklichen Irrtum hält.
4. Tentative Freiheitsbilanz
Weder de facto noch gar notwendigeiweise fällt die Technik für den Menschen
letztlich stärker bedrohlich als segensreich aus. Im Gegenteil dürften die großen
technischen Entwicklungen der Menschheit per Saldo mehr Chancen der Frei-
heit als deren Bedrohung bieten. Die Fähigkeit, Feuer zu entfachen, dürfte bislang
weitaus häufiger gewärmt als verbrannt und Geräte wie das Messer dürften weit
öfter die Arbeit erleichtert als Mitmenschen gefährdet haben. Überdies lassen sich
heute Folgelasten wie das Übermaß an Schadstoffen und Abfall und die Verar-
mung der Ressourcen ohne die einschlägigen Technikformen, die Wiederverwer-
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