III. Veranstaltungen
auch die gesellschaftliche Relevanz der Malalas-Chronik und ihrer Erforschung
heraus. Rektor Bernd Engler, der die Anwesenden im Namen der Universität be-
grüßte, gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass nun die vierte Forschungsstel-
le an der Universität Tübingen angesiedelt worden sei. Der Projektleiter Mischa
Meier bedankte sich für die Unterstützung und stellte das Projekt sowohl in Bezug
auf die inhaltliche Ausrichtung als auch auf die fachliche Ansiedelung sowie per-
sonelle Ausstattung in gebotener Kürze vor. Als thematische Einführung fungier-
te der Vortrag der Projektmitarbeiterin Christine Radtki, die die Geschichte der
Malalas-Forschung von ihren Anfängen im 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart
skizzierte und die Zielsetzung des Akademieprojektes vor einem forschungsge-
schichtlichen Hintergrund erläuterte.
Die erste Sektion („Malalas - Person, Werk und Umfeld“) eröffnete Johann
Martin Thesz (Tübingen/Berlin) mit einem Beitrag zu Malalas’ Bildungshinter-
grund, der in der Forschung unterschiedlich bewertet wird. Ausgehend von lin-
guistischen und intertextuellen Beobachtungen, entwickelte er die These, dass
Malalas keine klassische, sondern eine christliche Bildung genossen habe. Der Kir-
chenhistoriker Volker Drecoll (Tübingen) widmete sich der seit langem diskutier-
ten Frage, ob sich bei Malalas miaphysitische Tendenzen nachweisen lassen, und
kam nach Prüfung der einschlägigen Passagen zu einem negativen Urteil. Cathe-
rine Saliou (Paris) untersuchte die Stellung Antiocheias innerhalb der Chronik auf
der Sachebene und aus narratologischer Perspektive. Ihren Ergebnissen zufolge
stellt das Werk nicht nur eine fundamentale Quelle für die Kenntnis des Stadtbilds
zwischen 474 und 526 dar, sondern auch für die spätantike Lokalgeschichtsschrei-
bung. Die Sektion schloss mit einem Vortrag Philippe Blaudeaus (Angers), der
sich unter dem Titel „The second edition of Malalas’ chronicle, simple addition
or changed historiographical perspective? A few remarks“ die Frage stellte, ob und
inwiefern sich das Justinian-Bild des Malalas in der zweiten Edition seines Wer-
kes verändert hat. Der erste Tag der Konferenz endete mit dem Abendvortrag von
Wolfram Brandes (Frankfurt a. M.) zu prominenten Hochverratsprozessen bei
Malalas. Brandes konnte über eine ausführliche Analyse der Einzelfälle eine starke
Verquickung politischer und wirtschaftlicher Interessen unter den Akteuren des 6.
Jahrhunderts aufzeigen und damit neue Einblicke in die möglichen Hintergründe
der Prozesse bieten.
Der zweite Sitzungstag und die zweite Sektion („Die Gattung der Chronik“)
wurden von Richard Burgess (Ottawa) eröffnet. Seiner jüngst entwickelten und
präzisierten Definition der Gattung zufolge handelt es sich bei Malalas’ Text nicht
um eine Chronik (die durch ein strenges zeitliches Raster geprägt ist), sondern
eher um ein Breviarium, eine kleine Weltgeschichte - eine These, die im Anschluss
kontrovers diskutiert wurde, da Burgess’ Klassifizierungsvorschlag den bisherigen
Forschungskonsens radikal infragestellt. Komplementär zu diesem Zugriff auf der
Makroebene verhielt sich der nachfolgende Vortrag, der die Gattungsfrage eng am
80
auch die gesellschaftliche Relevanz der Malalas-Chronik und ihrer Erforschung
heraus. Rektor Bernd Engler, der die Anwesenden im Namen der Universität be-
grüßte, gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass nun die vierte Forschungsstel-
le an der Universität Tübingen angesiedelt worden sei. Der Projektleiter Mischa
Meier bedankte sich für die Unterstützung und stellte das Projekt sowohl in Bezug
auf die inhaltliche Ausrichtung als auch auf die fachliche Ansiedelung sowie per-
sonelle Ausstattung in gebotener Kürze vor. Als thematische Einführung fungier-
te der Vortrag der Projektmitarbeiterin Christine Radtki, die die Geschichte der
Malalas-Forschung von ihren Anfängen im 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart
skizzierte und die Zielsetzung des Akademieprojektes vor einem forschungsge-
schichtlichen Hintergrund erläuterte.
Die erste Sektion („Malalas - Person, Werk und Umfeld“) eröffnete Johann
Martin Thesz (Tübingen/Berlin) mit einem Beitrag zu Malalas’ Bildungshinter-
grund, der in der Forschung unterschiedlich bewertet wird. Ausgehend von lin-
guistischen und intertextuellen Beobachtungen, entwickelte er die These, dass
Malalas keine klassische, sondern eine christliche Bildung genossen habe. Der Kir-
chenhistoriker Volker Drecoll (Tübingen) widmete sich der seit langem diskutier-
ten Frage, ob sich bei Malalas miaphysitische Tendenzen nachweisen lassen, und
kam nach Prüfung der einschlägigen Passagen zu einem negativen Urteil. Cathe-
rine Saliou (Paris) untersuchte die Stellung Antiocheias innerhalb der Chronik auf
der Sachebene und aus narratologischer Perspektive. Ihren Ergebnissen zufolge
stellt das Werk nicht nur eine fundamentale Quelle für die Kenntnis des Stadtbilds
zwischen 474 und 526 dar, sondern auch für die spätantike Lokalgeschichtsschrei-
bung. Die Sektion schloss mit einem Vortrag Philippe Blaudeaus (Angers), der
sich unter dem Titel „The second edition of Malalas’ chronicle, simple addition
or changed historiographical perspective? A few remarks“ die Frage stellte, ob und
inwiefern sich das Justinian-Bild des Malalas in der zweiten Edition seines Wer-
kes verändert hat. Der erste Tag der Konferenz endete mit dem Abendvortrag von
Wolfram Brandes (Frankfurt a. M.) zu prominenten Hochverratsprozessen bei
Malalas. Brandes konnte über eine ausführliche Analyse der Einzelfälle eine starke
Verquickung politischer und wirtschaftlicher Interessen unter den Akteuren des 6.
Jahrhunderts aufzeigen und damit neue Einblicke in die möglichen Hintergründe
der Prozesse bieten.
Der zweite Sitzungstag und die zweite Sektion („Die Gattung der Chronik“)
wurden von Richard Burgess (Ottawa) eröffnet. Seiner jüngst entwickelten und
präzisierten Definition der Gattung zufolge handelt es sich bei Malalas’ Text nicht
um eine Chronik (die durch ein strenges zeitliches Raster geprägt ist), sondern
eher um ein Breviarium, eine kleine Weltgeschichte - eine These, die im Anschluss
kontrovers diskutiert wurde, da Burgess’ Klassifizierungsvorschlag den bisherigen
Forschungskonsens radikal infragestellt. Komplementär zu diesem Zugriff auf der
Makroebene verhielt sich der nachfolgende Vortrag, der die Gattungsfrage eng am
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