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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2014 — 2015

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A. Das akademische Jahr 2014
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II. Wissenschaftliche Vorträge
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Fonfara, Dirk: Die Unabhängigkeit des Denkens: Über die Aktualität von Karl Jaspers als Philosoph und politischer Schriftsteller: Kolloquium „Karl Jaspers – Texte und Kontexte“ am 11. Dezember 2014
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https://doi.org/10.11588/diglit.55654#0127
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Kolloquium „Karl Jaspers - Texte und Kontexte'

der heutigen „geistigen Situation der Zeit“ machte Hügli vor allem auf ein Grund-
dilemma aufmerksam: Man verbürge dem Einzelnen zwar das Recht auf Religi-
onsfreiheit, verzichte aber auf deren Kommunikation, da man die Differenzen
der Menschen unterschiedlichen Glaubens nicht ertrage. Einen Ausweg aus die-
ser fehlenden „Differenzverträglichkeit“ bietet Jaspers’ Religionsphilosophie bzw
seine Lehre von den Chiffren der Transzendenz. Deren Aktualität besteht darin,
das Fenster zum jeweils Anderen hin wieder aufzustoßen, da die Transzendenz
als gemeinsamer Bezugspunkt alle, die in dieses Gespräch eintreten, miteinander
verbindet, wobei auch Differenzen bestehen bleiben. Damit scheint als entschei-
dende politische Konsequenz ein Friede zwischen den Religionen möglich, der ge-
genseitig geistige Auseinandersetzung verlangt, an den Einzelnen aber auch große
Anforderungen stellt.
Anschließend ging Dr. Bernd Weidmann (Heidelberg), einer der Editoren der
KJG, der Frage nach, woran sich die Unabhängigkeit politisch engagierter Philo-
sophen festmachen lässt. In seinem Vortrag „Der öffentliche Intellektuelle. Über
das politische Engagement unabhängiger Denker“ knüpfte er die Unabhängigkeit
eines Philosophen an seine Bereitschaft, den für die akademische Lebensform
charakteristischen Willen zu Werk und Wirkung aufzugeben und sich der geistig-
politischen Situation rückhaltlos auszusetzen. Während Jaspers das mit seinen po-
litischen Schriften seit 1958 nur bedingt gelungen sei, habe Hans Sauer den von
Jaspers eingeschlagenen Weg konsequent weiterverfolgt, um zu einem radikalen
Denken zu gelangen, das zur Entscheidung aufruft, weil es den Willen zu Werk
und Wirkung übeiwunden hat.
An diese beiden Vorträge schloss sich eine lebhafte Diskussion an, die der
86-jährige Jaspers-Schüler Prof. Dr. Gerhard Knauss begann. Die Beiträge aus dem
Plenum konzentrierten sich auf die Frage, inwieweit Unabhängigkeit im Denken
überhaupt möglich sei. Ein besonders eindringliches Moment erfuhr diese De-
batte durch die Stellungnahme Sauers, der für eine vermittelnde Position dahin-
gehend argumentierte, dass das Streben nach Denkunabhängigkeit im Sinne der
Orientierung an einem Ideal bereits eine Veränderung im Leben bewirkt, ob es
jene Unabhängigkeit nun gibt oder nicht.
Die folgende Podiumsdiskussion, moderiert von KJG-Arbeitsstellenleiter
Prof. Dr. Dr. Thomas Fuchs (Heidelberg), widmete sich der Aktualität von Karl Jas-
pers. Prof. Dr. Kurt Salamun (Graz), Präsident der Österreichischen Karl-Jaspers-
Gesellschaft, leitete sie ein mit einem Überblick über die vielfältigen Aktivitäten
der weltweit wirkenden Karl-Jaspers-Gesellschaften, u. a. in Japan, Nordamerika
und Europa, die sich alle fünf Jahre auf dem Weltkongress der Philosophie zum
Gedankenaustausch treffen. Anschließend akzentuierten die weiteren Diskus-
sionsteilnehmer, Jens Halfwassen, Gerd Theißen (Heidelberg) sowie Dr. Oliver
Immel (Göttingen) und Dr. Dominic Kaegi (Heidelberg), die im Rahmen der KJG
die Schriften zur Universitätsidee bzw. zur Existenzphilosophie herausgegeben
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