Ahmet Cavuldak
Lieber Graf Kielmansegg, wir feiern heute Ihren achtzigsten Geburtstag, wenn
auch mit leichter Verspätung. Aber zum Feiern ist es im Leben nie zu spät. Ich
jedenfalls habe heute einen Anlass dazu, wie ich ihn mir schöner nicht denken
könnte. In Anatolien, wo ich meine Kindheit verbracht habe, tanzt man bei be-
sonders freudigen Anlässen auf einem Fuß, um das Glück in seinem Schwebezu-
stand zu erleben. Wenn ich heute an Sie denke, ist mir danach zumute. Aber keine
Sorge, eine anatolische Tanzaufführung will ich Ihnen dann doch nicht zumuten!
Geboren zu werden ist wahrlich ein Wunder. Leben eigentlich auch - trotz allen
Widrigkeiten und Anfechtungen, die wir alle mehr oder weniger zu gewärtigen
haben. Wie schön, dass Sie geboren wurden und ich Ihnen begegnet bin! Die-
sen Satz habe ich in den letzten Jahren hin und wieder in mich hineingeflüstert
und dachte, es ist an der Zeit, dass Sie ihn auch einmal hören. Dass ich Sie als
Menschen und Gelehrten kennengelernt habe, ist ein Glück, das mir niemand
nehmen kann und um das ich mich beinahe selbst beneide! Ich sage dies auch
ganz bewusst vor dem Hintergrund, dass unsereiner heutzutage im akademischen
Nebenberuf zum Sammler von Enttäuschungen wird.
Lieber Graf Kielmansegg, Sie gehören zu den wenigen Menschen, die mir
dieses Land zur Heimat werden lassen. Bleiben Sie mir, bleiben sie uns bitte un-
versehrt erhalten mit Ihrem Froh- und Scharfsinn, mit Ihrem Lächeln, und wenn
es nicht anders geht, auch mit Ihrem traurigen Blick - soweit dies natürlich alles
in Ihrer Macht liegt! Ansonsten möge Gott Sie auf all Ihren Wegen begleiten und
seine Hand über Sie halten!
Ich verbeuge mich mit Respekt, in Bewunderung und mit tief empfunde-
ner Dankbarkeit vor Ihrem großen Lebenswerk! Und wünsche Ihnen zu Ihrem
80. Geburtstag von Herzen alles Gute! Möge Gott Ihnen noch viele erfüllte Jahre
mit Ihrer liebenswürdigen Frau und Familie bescheren!
Als ein Zeichen des Dankes für all das, was ich von Ihnen gelernt und erhal-
ten habe und nicht in Worte fassen könnte, möchte ich Ihnen heute ein Geschenk
überreichen. Seit unserer ersten Begegnung im Locke-Seminar sind siebzehn Jah-
re vergangen, die sichtbare und weniger sichtbare Spuren hinterlassen haben. Ich
wollte so manche davon festhalten, dazu waren mir aber Worte nicht genug. Da
ich selber nicht malen kann, habe ich einen mir bekannten Künstler gebeten, ein
Porträt (siehe Seite 90) von Ihnen zu zeichnen. Er war erst dann bereit, mei-
ner Bitte nachzukommen, als ich ihm unsere Lehrer-Schüler-Geschichte seit dem
Locke-Seminar erzählte. Der Künstler heißt Ali Zülfikar Dogan und lebt in Köln;
auch er ist ein kurdischer Alevit, der aufgrund seiner politischen Überzeugungen
Ende der neunziger Jahre die Türkei verlassen musste und in der Bundesrepublik
Zuflucht gefunden hat. Das Bild, das dem Porträt als Vorlage diente, ist - wie ich
später erfahren habe - 2003 anlässlich Ihres Amtsantritts hier in der Akademie
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Lieber Graf Kielmansegg, wir feiern heute Ihren achtzigsten Geburtstag, wenn
auch mit leichter Verspätung. Aber zum Feiern ist es im Leben nie zu spät. Ich
jedenfalls habe heute einen Anlass dazu, wie ich ihn mir schöner nicht denken
könnte. In Anatolien, wo ich meine Kindheit verbracht habe, tanzt man bei be-
sonders freudigen Anlässen auf einem Fuß, um das Glück in seinem Schwebezu-
stand zu erleben. Wenn ich heute an Sie denke, ist mir danach zumute. Aber keine
Sorge, eine anatolische Tanzaufführung will ich Ihnen dann doch nicht zumuten!
Geboren zu werden ist wahrlich ein Wunder. Leben eigentlich auch - trotz allen
Widrigkeiten und Anfechtungen, die wir alle mehr oder weniger zu gewärtigen
haben. Wie schön, dass Sie geboren wurden und ich Ihnen begegnet bin! Die-
sen Satz habe ich in den letzten Jahren hin und wieder in mich hineingeflüstert
und dachte, es ist an der Zeit, dass Sie ihn auch einmal hören. Dass ich Sie als
Menschen und Gelehrten kennengelernt habe, ist ein Glück, das mir niemand
nehmen kann und um das ich mich beinahe selbst beneide! Ich sage dies auch
ganz bewusst vor dem Hintergrund, dass unsereiner heutzutage im akademischen
Nebenberuf zum Sammler von Enttäuschungen wird.
Lieber Graf Kielmansegg, Sie gehören zu den wenigen Menschen, die mir
dieses Land zur Heimat werden lassen. Bleiben Sie mir, bleiben sie uns bitte un-
versehrt erhalten mit Ihrem Froh- und Scharfsinn, mit Ihrem Lächeln, und wenn
es nicht anders geht, auch mit Ihrem traurigen Blick - soweit dies natürlich alles
in Ihrer Macht liegt! Ansonsten möge Gott Sie auf all Ihren Wegen begleiten und
seine Hand über Sie halten!
Ich verbeuge mich mit Respekt, in Bewunderung und mit tief empfunde-
ner Dankbarkeit vor Ihrem großen Lebenswerk! Und wünsche Ihnen zu Ihrem
80. Geburtstag von Herzen alles Gute! Möge Gott Ihnen noch viele erfüllte Jahre
mit Ihrer liebenswürdigen Frau und Familie bescheren!
Als ein Zeichen des Dankes für all das, was ich von Ihnen gelernt und erhal-
ten habe und nicht in Worte fassen könnte, möchte ich Ihnen heute ein Geschenk
überreichen. Seit unserer ersten Begegnung im Locke-Seminar sind siebzehn Jah-
re vergangen, die sichtbare und weniger sichtbare Spuren hinterlassen haben. Ich
wollte so manche davon festhalten, dazu waren mir aber Worte nicht genug. Da
ich selber nicht malen kann, habe ich einen mir bekannten Künstler gebeten, ein
Porträt (siehe Seite 90) von Ihnen zu zeichnen. Er war erst dann bereit, mei-
ner Bitte nachzukommen, als ich ihm unsere Lehrer-Schüler-Geschichte seit dem
Locke-Seminar erzählte. Der Künstler heißt Ali Zülfikar Dogan und lebt in Köln;
auch er ist ein kurdischer Alevit, der aufgrund seiner politischen Überzeugungen
Ende der neunziger Jahre die Türkei verlassen musste und in der Bundesrepublik
Zuflucht gefunden hat. Das Bild, das dem Porträt als Vorlage diente, ist - wie ich
später erfahren habe - 2003 anlässlich Ihres Amtsantritts hier in der Akademie
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