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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
DOI Kapitel:
II. Wissenschaftliche Vorträge
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Keazor, Henry: Spurensuche: Wege und (Be-)Deutungen eines Gemäldes der frühen Neuzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0105
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Henry Keazor

am 13. April 1877 in London bei einer Auktion von Christie’s versteigert worden
war, die unter der „Sale Number“ 546 F stattfand, bei der das Bild als „lot number“
426 angeboten wurde. Versteigert wurden bei dieser so genannten „Napier of Shan-
don sale“ Stücke aus der Sammlung von Robert Napier of Shandon (1791-1876),
einem schottischen Schiffsingenieur, der eine feine Sammlung von Gemälden in
seinem Haus in West Shandon, am Gare Loch, bei Argyll and Bute hatte. Aus ihr
stammen auch heute so berühmte Werke wie z. B. Ercole de Robertis „Ehefrau des
Hasdrubal“ (heute in Washington, National Gallery) oder Hendrik van den Burghs
„Trinker vor einem Kamin“ (heute in New York, Frick Collection), die beide in der
gleichen Versteigerung verkauft wurden wie das hier besprochene Männerbildnis,
das im Auktionskatalog leider ohne Zuschreibung geführt wird.11 Nichtsdestotrotz
lässt es sich identifizieren, wenn man sich einen Katalog der Sammlung anschaut,
den Napier 1865 hatte erstellen und drucken lassen. Da Napier eher selten Por-
traits kaufte, stößt man in dem Verzeichnis nur auf ein einziges Bild, das auf unser
Gemälde bezogen werden kann, das unter der No. 335 dem der venezianischen
Schule zugerechneten Maler Paris Bordone (um 1500-1571) zugeschrieben und
als „Portrait of Ariosto“ identifiziert wird.12
Dies ist sowohl in stilistischer Hinsicht wie auch bezüglich der Identifizie-
rung des dargestellten Mannes als Portrait des humanistischen Dichters Ludovi-
co Ariosto (1474-1533, deutsch: Ariost) zwar nachvollziehbar, allerdings eiweist
sich anhand eines Vergleichs zu weiteren Bildnissen des Ariost keine eindeutige
Portraitähnlichkeit. Auch, dass Waldmann das Gemälde als Werk Ludovico Car-
raccis deutete, überzeugt mehr als die Zuschreibung an Bordone: Eine ähnliche
Kleidung mit Details wie dem aus offenbar weichem Stoff gearbeiteten, schmalen
Kragen lässt sich auch in anderen Gemälden der Carracci selbst sowie von deren
Schülern beobachten; der für ein Portrait ungewöhnliche Blick des Dargestellten
zur Seite sowie die Glanzlichter auf der Sclera, der weißen Augenhaut, sind wiede-
rum typisch für Ludovico: Ein Vergleich ihm zugeschriebener Gemälde mit dem
hier erörterten Bild scheinen dafür zu sprechen, dass Waldmann Recht zu geben
wäre, auch wenn es letzten Endes (noch) keine endgültige Gewissheit dafür gibt.
Es bleibt daher zu sehen, ob sich neue Spuren finden lassen, welche die Wege und
(Be-)Deutungen dieses Gemäldes weiter zu präzisieren helfen werden und die

11 First Portion. Catalogue of the Celebrated Assemblage of Works ofArt and Vertu, knoten as The Shandon
Collection (...), Third’s Day Sale on Friday, April 13, 1877, London 1877, S. 32: „426: Unknown:
A man’s head.“
12 Vgl.: Catalogue of the Works ofArt Forming the Collection of Robert Napier ofWest Shandon, Dum-
bartonshire. Mainly compiled by J. C. Robinson. Privately printed, London 1865, S. 16. Auch die
dort angegebenen Maße von „1 ft. 6 in.“ [ca. 45,7 cm] Breite und „1 ft. 10 in.“ [ca. 55,9 cm]
Höhe passen zu dem in Rede stehenden Gemälde (37 X 46,2 cm), bei dessen Vermessung
wahrscheinlich, wie damals durchaus nicht unüblich, der Rahmen mitgerechnet wurde.

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