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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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III. Veranstaltungen
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Mitarbeitervortragsreihe „Wir forschen. Für Sie“
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Dörner, Gerald: Gottes »Haußhalter« im Daseinskampf: der evangelische Pfarrer des 16. Jahrhunderts
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0142
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III. Veranstaltungen

evangelischen Geistlichen, wurde deren Zahl mit fortschreitender Zeit stetig
kleiner. Nach der Mitte des 16. Jh. kamen immer mehr Geistliche aus Pfarr-
familien. Ende des Jahrhunderts machten sie vielerorts bereits die Hälfte der
Kandidaten aus. Es bildeten sich regelrechte Pfarrerdynastien heraus. So kam es
vor, dass die Pfarrstelle eines Dorfes für 100 Jahre oder mehr in der Hand einer
einzigen Familie blieb.
Im 16. Jh. konnte nur ein kleiner Teil der Gemeinden ihren Pfarrer selbst
wählen, weil das aus dem Mittelalter überkommene Patronatsrecht weiter bestand.
Es gestattete dem Patronatsherrn (etwa einem Adeligen), für die Pfarrstelle einen
ihm genehmen Kandidaten auszuwählen. Nicht selten kam es zu Missbräuchen:
Patronatsherren nominierten Personen, die nicht für das geistliche Amt geeignet
waren. Nur ein Teil der Kandidaten hatte eine Universität besucht. Und selbst von
den studierten Pfarrern hatten die meisten nur die Artistenfakultät absolviert. Die
Eignung der Kandidaten für das Pfarramt wurde durch ein Examen festgestellt. Als
Prüfer fungierten die Superintendenten, verschiedentlich auch die Pröpste oder
Pfarrer eines Gebietes. Nicht selten verengte sich das Examen auf die Frage der
richtigen Lehre. Es sollte verhindert werden, dass „sektiererische“ Lehren Einzug
in die Kirche hielten. Mit der Verschärfung der konfessionellen Konflikte zwi-
schen Lutheranern und Reformierten im Laufe des 16. Jh. gewann dieser Aspekt
eine immer größere Bedeutung.
Pfarrer erhielten im 16. Jh. nicht ein allgemein gesetzlich festgelegtes Gehalt,
sondern ihre Einkünfte basierten auf den Erträgen der ihnen verliehenen Pfrün-
de. Das Pfründensystem sorgte für beträchtliche Unterschiede zwischen „rei-
chen“ und „armen“ Pfarreien. Trotz der damit verbundenen Ungleichheit war es
langlebig und wurde erst Ende des 19. Jh. durch ein Gehaltssystem abgelöst. Die
Einkünfte der Pfründen setzten sich aus sehr unterschiedlichen Elementen zu-
sammen: Einen Teil bildete der Zehnt, der vom Getreide, Wein, Gartenfrüchten
und Vieh erhoben wurde. Hinzu kam die Lieferung von Naturalien zu bestimm-
ten Zeiten des Jahres. Einnahmen bezogen die Geistlichen auch aus dem ihnen
übertragenen Land, das viele Landpfarrer selbst bewirtschafteten. Die Einkünfte in
Form von Bargeld waren im 16. Jh. noch vergleichsweise gering. In der Regel han-
delte es sich um Gebühren, die für die Amtshandlungen wie Taufe, Trauung und
Beerdigung erhoben wurden. Zur Pfründe gehörte auch das Pfarrhaus. Die Pfarr-
häuser bildeten einen beständigen Streitpunkt zwischen Pfarrer und Gemeinde.
Viele Gemeinden kamen nämlich ihrer Pflicht zur Unterhaltung der Pfarrhäuser
nicht nach, so dass sich diese oft in einem desolaten Zustand befanden.
Auffallend groß war der Unterschied der Einkünfte zwischen den Stadt- und
Landpfarrern im 16. Jh. Nicht selten verfügte ein Stadtpfarrer über das Doppelte
des Einkommens seines Kollegen auf dem Land. Armut, aber auch Geschäftssinn
verleiteten nicht wenige Pfarrer, sich Nebenverdienste zu erschließen, etwa durch
den Ausschank von Bier oder von Wein.

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