III. Veranstaltungen
„Nietzsche als Leser"
2. Oßmannstedter Nietzsche-Colloquium vom 29. Juni bis 2. Juli 2017,
veranstaltet von der Forschungsstelle „Nietzsche-Kommentar"
in Kooperation mit der Klassik Stiftung Weimar
Bei Nietzsches Texten handelt es sich oft um Reaktionen auf seine breitgestreuten
Lektüren. Sein Lesen ist zugleich ein Schreiben, und es verläuft ebenso selektiv
und assoziativ wie aneignend: Unter Nietzsches Hand werden Lesefrüchte aus
natuiwissenschaftlichen Lexika ästhetischen Überlegungen einverleibt, ethno-
anthropologische Fachbücher im Kontext philosophiegeschichtlicher Einord-
nungsversuche zitiert, mehr oder weniger bekannte Autoren und Werke zur Au-
torisierung eigener (oder zur Diskreditierung fremder) Gedanken genannt oder
teils erfundene und meist ohnehin nicht nachgewiesene Zitate und Veiweise in
Polemiken integriert. Die Auseinandersetzung mit Nietzsches Schriften ist daher
auf eine differenzierte, immer auch hermeneutischen Ansprüchen genügende
Quellenarbeit angewiesen, welche die spezifische Gemengelage aus Eigenem und
Fremdem in den Texten berücksichtigt. Nicht zu vernachlässigen ist hierbei die
materialphilologische Ebene: Eine Vielzahl der bis heute in der Herzogin Anna
Amalia Bibliothek in Weimar erhaltenen Buchexemplare aus Nietzsches persön-
lichen Beständen enthalten Lesespuren in Gestalt von Randstrichen, Unterstrei-
chungen oder Notizen, welche die Analyse seines Rezeptionsverhaltens wesent-
lich unterstützen.
Sowohl die fallstudienartige Untersuchung von Nietzsches Lektüren als auch
die systematische Charakterisierung Nietzsches als Leser war das Ziel des 2. Oß-
mannstedter Nietzsche-Colloquiums unter der Leitung von Paolo D’Iorio (Insti-
tut des Textes et Manuscrits Modernes, CRNS, Paris) und Andreas Urs Sommer
(Forschungsstelle Nietzsche-Kommentar) in Kooperation mit Annette Schöneck
von der Klassik Stiftung Weimar und Mitarbeitern des in Freiburg i. Br. und Paris
angesiedelten, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Agence Na-
tionale de la Recherche geförderten Forschungsprojekts „Nietzsches Bibliothek“:
Helmut Heit, Yannick Souladie, Mike Rottmann und Hans-Peter Anschütz. In
20 Vorträgen von übeiwiegendjungen Forschenden aus dem In- und Ausland
wurden erstmals Ansätze zur Erforschung von Nietzsches Quellen, der Analyse
seines Rezeptionsverhaltens und der ko- wie kontextorientierten Interpretation
gebündelt. In den Blick gerieten dabei offene und versteckte Anspielungen und
Zitate bei Nietzsche, die sich sowohl auf Werke in Nietzsches Bibliothek als auch
auf vermittelte Lektüren zurückführen ließen, ferner die vielgestaltigen Lesespu-
ren in Nietzsches Buchexemplaren oder auch seine Exzerptsammlungen.
Die Konferenz eröffneten Andreas Urs Sommer und Paolo D’Iorio mit einer
Einführung in die Erforschung von Nietzsches persönlicher Bibliothek aus histo-
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„Nietzsche als Leser"
2. Oßmannstedter Nietzsche-Colloquium vom 29. Juni bis 2. Juli 2017,
veranstaltet von der Forschungsstelle „Nietzsche-Kommentar"
in Kooperation mit der Klassik Stiftung Weimar
Bei Nietzsches Texten handelt es sich oft um Reaktionen auf seine breitgestreuten
Lektüren. Sein Lesen ist zugleich ein Schreiben, und es verläuft ebenso selektiv
und assoziativ wie aneignend: Unter Nietzsches Hand werden Lesefrüchte aus
natuiwissenschaftlichen Lexika ästhetischen Überlegungen einverleibt, ethno-
anthropologische Fachbücher im Kontext philosophiegeschichtlicher Einord-
nungsversuche zitiert, mehr oder weniger bekannte Autoren und Werke zur Au-
torisierung eigener (oder zur Diskreditierung fremder) Gedanken genannt oder
teils erfundene und meist ohnehin nicht nachgewiesene Zitate und Veiweise in
Polemiken integriert. Die Auseinandersetzung mit Nietzsches Schriften ist daher
auf eine differenzierte, immer auch hermeneutischen Ansprüchen genügende
Quellenarbeit angewiesen, welche die spezifische Gemengelage aus Eigenem und
Fremdem in den Texten berücksichtigt. Nicht zu vernachlässigen ist hierbei die
materialphilologische Ebene: Eine Vielzahl der bis heute in der Herzogin Anna
Amalia Bibliothek in Weimar erhaltenen Buchexemplare aus Nietzsches persön-
lichen Beständen enthalten Lesespuren in Gestalt von Randstrichen, Unterstrei-
chungen oder Notizen, welche die Analyse seines Rezeptionsverhaltens wesent-
lich unterstützen.
Sowohl die fallstudienartige Untersuchung von Nietzsches Lektüren als auch
die systematische Charakterisierung Nietzsches als Leser war das Ziel des 2. Oß-
mannstedter Nietzsche-Colloquiums unter der Leitung von Paolo D’Iorio (Insti-
tut des Textes et Manuscrits Modernes, CRNS, Paris) und Andreas Urs Sommer
(Forschungsstelle Nietzsche-Kommentar) in Kooperation mit Annette Schöneck
von der Klassik Stiftung Weimar und Mitarbeitern des in Freiburg i. Br. und Paris
angesiedelten, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Agence Na-
tionale de la Recherche geförderten Forschungsprojekts „Nietzsches Bibliothek“:
Helmut Heit, Yannick Souladie, Mike Rottmann und Hans-Peter Anschütz. In
20 Vorträgen von übeiwiegendjungen Forschenden aus dem In- und Ausland
wurden erstmals Ansätze zur Erforschung von Nietzsches Quellen, der Analyse
seines Rezeptionsverhaltens und der ko- wie kontextorientierten Interpretation
gebündelt. In den Blick gerieten dabei offene und versteckte Anspielungen und
Zitate bei Nietzsche, die sich sowohl auf Werke in Nietzsches Bibliothek als auch
auf vermittelte Lektüren zurückführen ließen, ferner die vielgestaltigen Lesespu-
ren in Nietzsches Buchexemplaren oder auch seine Exzerptsammlungen.
Die Konferenz eröffneten Andreas Urs Sommer und Paolo D’Iorio mit einer
Einführung in die Erforschung von Nietzsches persönlicher Bibliothek aus histo-
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