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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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III. Veranstaltungen
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Müller, Armin Thomas: Nietzsche als Leser: 2. Oßmannstedter Nietzsche-Colloquium vom 29.Juni bis 2. Juli 2017, veranstaltet von der Forschungsstelle „Nietzsche-Kommentar“ in Kooperation mit der Klassik Stiftung Weimar
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0155
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Nietzsche-Colloquium „Nietzsche als Leser'

geists“ hervorhob und ferner den Einfluss Voltaires, Denis Diderots, Charles de
Remusats, Hippolyte Taines und Blaise Pascals geltend machte.
In seinem Abendvortrag zu „archäologischen Lektüren im Horizont Nietz-
sches“ erweiterte Matthias Bormuth den thematischen Rahmen der Konferenz
um eine Betrachtung von Karl Jaspers’ Rezeption Hölderlins und Max Webers.
Ziel war es, strukturelle Ähnlichkeiten zu Nietzsches Lektüreverhalten bei Jaspers
festzustellen.
Die Nietzsche-Sammlung in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek stellte
Erdmann von Wilamowitz-Moellendorff im Zuge eines Rundgangs durch die his-
torischen Bestände in Weimar vor. Die interaktive Führung informierte über die
Historie der Sammlung, heutige Standards der Archivierung und das Projekt der
Weimarer Nietzsche-Bibliographie.
Stefan Höppner gewährte Einblick in seine Arbeit zu Goethes Bibliothek, die
eine digitale Neukatalogisierung, die topische Klassifizierung des gesamten Be-
stands sowie eine Digitalisierung einzelner, besonders interessanter Bände anstre-
be. Bei seinem Vortrag ging Höppner sowohl auf die spezifische Geschichte von
Goethes Bibliothek wie auch auf allgemeine methodische Fragen zur Erforschung
von Autorenbibliotheken ein.
Eine ethnologische Quelle Nietzsches behandelte Armin Thomas Müller in
seinem Vortrag über John Lubbocks Entstehung der Civilisation und der Urzustand
des Menschengeschlechts. Neben der historischen Einordnung Lubbocks und seines
Werks gab Müller einen typologisierenden Überblick der wichtigsten Referenz-
stellen bei Nietzsche und bescheinigte diesem keine systematische, sondern okka-
sionelle Lubbock-Lektüre.
Als zentralen Motivspeicher für Nietzsches Werk beschrieb David Simonin
Die thierischen Gesellschaften von Alfred Espinas. Simonin bemühte sich um eine
philosophische Auseinandersetzung mit Nietzsches „Einverleibung“ von Espi-
nas, dessen Thesen über Herren und Parasiten, das Individuum und die Herde in
Nietzsches Texten prominent fortlebten.
Zu den bekanntesten Lektüren Nietzsches gehören Ralph Waldo Emersons
Essays, denen sich Sandra Yvonne Freregger hinsichtlich der Freundschaftsthema-
tik in der Fröhlichen Wissenschaft widmete. Besonderen Wert legte Freregger dabei
auf die Analyse der unzähligen Randglossen von Nietzsches Hand, die sie als Zei-
chen „dialoghaften Lesens“ interpretierte.
Claus Zittel beschloss die Tagung mit einem Vortrag über Nietzsches Re-
zeption von Laurence Sterne, wobei er erstmals die in Nietzsches persönlicher
Bibliothek erhaltene Sammlung Yoriks nachgelaßne Werke als „Pseudo-Sterne“ und
eigentliches Produkt des Übersetzers Johann Gottfried Gellius kenntlich machte.
Angesichts solcher langlebigen Fehlannahmen betonte Zittel die grundsätzliche
Unsicherheit positivistischer Quellenforschung, deren Erfolg wesentlich von der
hermeneutischen Intention des Interpreten abhängig sei.

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