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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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B. Die Forschungsvorhaben
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II. Tätigkeitsberichte (chronologisch)
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2. Wörterbuch der altgaskognischen Urkundensprache (DAG)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0184
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B. Die Forschungsvorhaben

Die Veiwandtschaftsverhältnisse (B III af aa3 „La parente“) als ein fundamen-
taler Komplex des mittelalterlichen Sprachgefüges füllen mit über 40 Seiten mehr
als die Hälfte des vorliegenden Faszikels. Auch in der altgaskognisehen Skripta
zeichneten sich die Verwandtschaftsbezeichnungen durch besondere Präzision
und Eindeutigkeit der Begriffe aus, denn die Urkunden- und Rechtssprache un-
terlag den Zwängen, in ihren Verordnungen und Verfügungen klar und unmiss-
verständlich zu sein. Erbschaftsangelegenheiten durften z. B. keinen Spielraum für
irrige oder mehrdeutige Interpretationen zulassen. Die bewusste Meldung poly-
semer Wörter lässt sich anhand des die Gemeinsamkeit umschließenden Begriffs
„Eltern“ verfolgen, für den man im Altgaskognischen keinen Beleg findet. Parentzl
parents (belegt ab 1171 in unseren Dokumenten) war ausnahmslos auf die Bezeich-
nung „Verwandte“ beschränkt. Das Altgaskognische behalf sich hingegen mit der
kollektiven Form „Vater und Mutter“. Die dazu in unserem Korpus vorliegenden
Belege weisen mehrere Abstufungen vor, beginnend mit der Doppelverbindung
zweier Teilbegriffe „Vater“ und „Mutter“, die in späteren Dokumenten zu einer
einheitlichen Kollektivverbindung verschmelzen. Aus dem Ausgangstypus lo pay et
le may (ca. 1190)//o paire e la maire (1237), charakterisiert durch doppelten Artikel,
wird lors pair e mair (1256), noch mit pluralischem Pronomen (gegenüber dem
noch einheitlicheren son pay e may mit Pronomen im Singular (!) [ohne Datums-
angabe], bezeugt im Dictionnaire bearnais ancien et moderne von Lespy V und Ray-
mond P) sowie das artikellosepaire et maire (1257)/pay et may (1273).
Die zweite Hälfte des Faszikels befasst sich mit relevanten gesellschaftlichen
Konventionen wie „Taufe und Namengebung“ (B III aj aa4: 14 Artikel), „Sepulk-
ralkultur“ (B III at aa5: 8 Artikel), „Witwen- und Waisenschaft“ (B III at aa6: 13 Ar-
tikel) sowie „Erziehungswesen“ (B III a aa7: 3 Artikel). Als lexikographischer
Neugewinn für den gesamten südfranzösischen Sprachraum finden sich z. B.
filhon „Patenkind“ (1280), exhumar „(eine Leiche) exhumieren“ (1243), universa-
ri „jährliche Totengedenkfeier“ (1267-1289), molher de homme mort „Witwe“ (vor
1300), molher quifo [+ nom de pers.] „Witwe des verstorbenen [+ Personenname]“
(1237-1288), esponaria „Vormundschaft (verwaister Kinder)“ (1203), thier perfilh
„Kind adoptieren, als Eigenes anerkennen“ (1273). Dazu hin kommen etliche Vor-
datierungen wie molher sa en areire de [+ Personenname] „Witwe“ (1291) zu später
belegtem molher sa.n-rer de [+ nom] (1378) aus oben zitiertem Dictionnaire bearnais,
dessen falsche Definition „femme defunte de“ „verstorbene Frau des“ bei dieser
Gelegenheit zu korrigieren ist in „femme du defunt [+ nom]“ „Frau des verstor-
benen [+ Name]“.
Den Abschluss des Faszikels bildet der Themenkomplex „Sprachsystem und
Sprachgebrauch“ mit 21 Artikeln und ist zunächst der gesprochenen Sprache ge-
widmet (B III a2 aa). Die juristisch bedeutsame Redewendung en parole et en action
„in Wort und Tat“ findet sich erstmals im DAG lexikographisch verzeichnet mit
den Varianten perfeyt o per diit/perfayt o per dits (1220-1300), enfeyt o en diit (1220),

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