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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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B. Die Forschungsvorhaben
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II. Tätigkeitsberichte (chronologisch)
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17. Kommentierung und Gesamtedition der Werke von Karl Jaspers sowieEdition der Briefe und des Nachlasses in Auswahl
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0259
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17. Gesamtedition der Werke von Karl Jaspers

en Verhältnisse aber konnte man aus Jaspers’ Nietzsche-Darstellung ebenso we-
nig herauslesen. Dass sie weder im Guten noch im Schlechten in die Zeit passte,
ist vielleicht kein Zufall: Das Material hatte Jaspers bereits 1916 zusammen - ein
mehrere hundert Seiten starkes Manuskript seiner Vorlesung über „Nietzsche als
Psychologe“, auf das Jaspers auch später häufig zurückgegriffen hat. Es wird im
Rahmen der Edition der Nietzsche-Monographie erstmals ausgewertet.
Den kleinen Bruder der Monographie, einen Vortrag über „Nietzsche und
das Christentum“ vom Mai 1938, konnte Jaspers nicht mehr veröffentlichen. Man
hat vielfach (und in verschiedenen Versionen) von einem Publikationsverbot ge-
sprochen, das es offiziell jedoch nie gab, zumindest nicht für Primärtexte - die
italienische Übersetzung der Geistigen Situation derZeit untersagte die Reichsschrift-
tumskammer bereits im Herbst 1937. In letzter Instanz hat Jaspers eigenhändig
den genannten Text zurückgezogen, nachdem de Gruyter darauf bestand, ihn der
Parteiamtlichen Prüfungskommission vorzulegen: das Risiko, auf diese Weise in
den Fokus der NS-Behörden zu geraten, wollte der inzwischen zwangspensio-
nierte Jaspers tunlichst vermeiden. Wie komplex die Zusammenhänge nicht nur
in diesem Fall waren, verdeutlicht die Verlagskorrespondenz.3 Sie macht eine Fül-
le wichtiger, bislang unbekannter Dokumente zugänglich - auch manchen Fund,
der zur Komplettierung des Bildes gehört. So etwa, dass Jaspers noch im August
1933 Carl Schmitt als „geeigneten Autor“ eines geplanten Göschen-Bändchens
über „Staatsphilosophie“ empfiehlt und Schmitts Beteiligung am Reichsstatthal-
tergesetz offensichtlich als Qualitätsausweis wertet. Oder die Beharrlichkeit, mit
der Jaspers noch 1946 den ursprünglichen Untertitel seiner Schrift über Max We-
ber: „Deutsches Wesen im politischen Denken, im Forschen und Philosophieren“
(1932) verteidigte. Der Untertitel war bereits Hannah Arendt aufgestoßen, erst auf
Drängen des Storm-Verlags wurde er geändert: „Politiker - Forscher - Philosoph“
(1946).
Zu den eminenten (und bislang erstaunlich stiefmütterlich behandelten)
Nachlasstexten Jaspers’ gehören die Grundsätze des Philosophierens.4 „Das Analogon
eines Glaubensbekenntnisses [...] ist das Ziel“, schrieb Jaspers im August 1942
seinem Schüler Johannes Kampffmeyer: „Einmal kurz zu sagen, was man eigent-
lich meint und will.“ Der Brief kam übrigens zurück, „Kampffmeyer ist gefallen“
notierte sich Jaspers - auch dies ein Stück Alltag der Zeit. Jaspers selbst wuss-
te damals, dass er gemeinsam mit seiner Frau Deutschland nicht mehr verlassen
konnte, letzte Emigrationspläne scheiterten im Juni 1942. Wie die meisten Buch-
projekte wurden die Grundsätze nicht „kurz“, erhalten sind zehn, unterschiedlich
3 KJG IIII/8.1: Ausgewählte Verlags- und Übersetzerkorrespondenzen (D. Fonfara; Basel 2018),
KJG 1111/8.2: Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper-Verlag und Klaus Piper (D. Fon-
fara; Texterstellung abgeschlossen, geplante Publikation 2019)
4 KJG II/l: Grundsätze des Philosophierens. Einführung in philosophisches Leben (B. Weid-
mann; Einleitung und Stellenkommentar in Bearbeitung, geplante Publikation: 2019)

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