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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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C. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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III. Konferenzen
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2. Rechtsprechung im Dialog der Gerichte auf innerstaatlicher und europarechtlicher Ebene am Beispiel Ungarns und Deutschlands
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0349
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C. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses

das VerfG durch seine Argumentation die Ermessensspielräume des Fachgerichts
einschränkt oder in denen sich die Verfassungsrichter - nach Entscheidung des
VerfG - zwischen der erga omnes-Wirkung der Entscheidung und der Gesetzes-
anwendung entscheiden müssen oder bei denen es sich um eine willkürliche Ent-
scheidung handeln könnte.
Prof Dr. Dr. h. c. Klaus Rennert (Präsident des Bundesverwaltungsgerichts)
legte in seinem Vortrag den Schwerpunkt auf die Urteilsverfassungsbeschwerde.
Er machte darauf aufmerksam, dass sich diese Beschwerde nicht nur unmittel-
bar gegen das Urteil des Fachgerichts richten kann, sondern mittelbar gegen Akte
der Exekutive oder der Legislative, der den Gegenstand der fachgerichtlichen Ent-
scheidung darstellt. Der Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts ist dabei
auf eine verfassungsgerichtliche Kontrolle im Einzelfall beschränkt. Im Zusam-
menhang mit dem Prüfungsmaßstab thematisiert Prof. Rennert auch die materiel-
le Grundrechtsgeltung im Privatrecht. So entfalten die Grundrechte beispielsweise
nach der sog. Heck’schen Formel im Privatrecht materielle Bindungswirkung und
sind damit der Kontrolle des BVerfG zugänglich, wenn die Entscheidung einen
Auslegungsfehler erkennen lässt, der auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffas-
sung von der Bedeutung eines Grundrechts beruht.
Bei einer Verfassungsbeschwerde gegen eine verwaltungsgerichtliche Ent-
scheidung, bei der die Grundrechtsverletzungen nicht auf die Entscheidung des
Fachgerichts zurückgeht, sondern primär durch die Exekutive verursacht wurde,
gilt ebenfalls die Heck’sche Formel, soweit die betroffenen Grundrechte durch
Gesetzeswortlaut konkretisiert sind. Sind die Fachgerichte aufgrund des unzu-
reichenden Gesetzeswortlauts dazu gezwungen unmittelbar auf die Grundrechte
zurückzugreifen, beansprucht das Bundesverfassungsgericht die letztverbindliche
Entscheidungskompetenz. Dies wird dadurch legitimiert, dass den Verwaltungs-
gerichten wie dem Verfassungsgericht jeweils die Kontrolle der Exekutive obliegt.
Nur der prozessrechtliche Grundsatz, dass das Verfassungsgericht erst nach Er-
schöpfung des fachgerichtlichen Rechtsweges angerufen werden darf, schaltet die
verwaltungsgerichtliche Kontrolle der verfassungsgerichtlichen vor. Schließich
kann Beschwerdegegenstand auch die Norm sein, die dem fachgerichtlichen Ur-
teil zugrunde liegt. Die Normenkontrollvorlage hat das Verfassungsgericht mit
strengen Zulässigkeitsvoraussetzungen versehen, was oft dazu führt, dass die
Fachgerichte nicht selbst vorlegen und der Betroffene doch selbst Verfassungs-
beschwerde einlegen muss. Insgesamt bezeichnet das Begriffspaar „Verfassungs-
gericht und Fachgerichte“ im Lichte der Ausführungen aber keinen Gegensatz,
sondern eine funktionale Differenzierung innerhalb einer einheitlichen Rechts-
pflege.
Jennifer Hölzlwimmer (Universität Augsburg) und Dr. Viktor Lörincz (Ungari-
sche Akademie der Wissenschaft) haben ihre Forschungen im Anschluss an den
beiden Vorträgen dargestellt.

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