Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

DOI Kapitel:
C. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
DOI Kapitel:
III. Konferenzen
DOI Kapitel:
2. Rechtsprechung im Dialog der Gerichte auf innerstaatlicher und europarechtlicher Ebene am Beispiel Ungarns und Deutschlands
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0351
Lizenz: In Copyright

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
C. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses

Bei den Ausführungen zur Zulässigkeit der Rechtsfortbildung wurde die Re-
lativität der Zulässigkeit von Rechtsfortbildungen auf das Rechtssystem hervorge-
hoben. Weitere Überlegungen bezogen sich auf institutionelle und substanzielle
Begründungen als Interpretationsargumente. Während die institutionellen Argu-
mente sowohl auf die sprachliche Ebene als auch auf den Willen des historischen
Gesetzgebers abstellen sowie systematische Argumente implizierten, stellten die
substanziellen Argumente auf die moralische Richtigkeit oder Gerechtigkeit ab.
Dem subjektiven Interpretationsziel und den korrespondierenden Interpretations-
argumenten (Wortlaut und Wille) kommt dabei ein prima facie-Vorrang vor dem
objektiven Auslegungsziel zu.
Das Bundesverfassungsgericht stellt üblicherweise auf den traditionellen Lü-
ckenbegriff - den Borowski kritisch reflektierte, aber nicht grundsätzlich verwarf
- sowie auf den tatsächlichen Willen des Gesetzgebers ab. Vor diesem Hintergrund
ging Borowski der Frage nach der Rechtsfortbildungskontrolle als Sonderfall der
Urteilsverfassungsbeschwerde nach. Letztlich blieb festzuhalten, dass das Bundes-
verfassungsgericht selbst zur Rechtsfortbildung ermächtigt ist, es jedoch Norman-
wender bleibt und nicht die Rolle des Normgebers einnehmen darf. Hier berührte
der zweite Themenkomplex der Konferenz auch den ersten. Der Schwerpunkt
des Vortrags von PD Dr. Reka Somssich (ELTE Universität Budapest) war die Ent-
wicklung des Unionsrechts und die Einschränkung dieser Entwicklung durch die
mitgliedstaatlichen Gerichte sowie durch den EuGH. Die Referentin betonte, dass
der Spielraum der Rechtsfortbildung durch mitgliedstaatliche Gerichte von der
EuGH-Rechtsprechung signifikant eingeschränkt wird. Wichtige Faktoren sei-
tens des EuGH seien bei der Rechtsfortbildung die Trennung von Auslegung und
Anwendung des Unionsrecht, die wachsende Verantwortung der Richter in den
Mitgliedsstaaten bezüglich der Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV
sowie fehlende Stellungnahmen zur Auslegung des Unionsrechts, die unabhängig
von einer konkreten Rechtsstreitigkeit ist.
Auf der Ebene der Mitgliedsstaaten seien insbesondere Präzedenzfälle bezüg-
lich der Anwendung und Auslegung des Unionsrecht wichtig. Diese könnten eine
bestimmte Entwicklung aufgreifen und einen Einfluss auf die Rechtsprechung an-
derer Mitgliedstaaten ausüben.
Dr. Judith Froese (Universität Köln) und Dr. Pocza Kalman (Ungarische Akade-
mie der Wissenschaft) haben zum zweiten Themenblock ihre Forschungen prä-
sentiert.
Dr. Froese führte aus, dass für die Rechtsfortbildung die Wechselbeziehung
von Rechtsprechung und Gesetzgebung eine entscheidende Rolle spiele, da für
die Geltung und Durchsetzbarkeit die Rechtsordnung auf Auslegung, Anwendung
und mitunter auch auf Rechtsfortbildung durch die Judikative angewiesen sei. Als
Anknüpfungspunkt für Begrenzungen dienen u. a. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 79
GG sowie das Willkürverbot aus Art. 3 GG. Daneben wies sie daraufhin, dass die

352
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften