Konferenz: Rechtsprechung im Dialog der Gerichte
Methodenlehre die Rationalität und Nachvollziehbarkeit der Auslegung fördert,
während organisatorische und verfahrensrechtliche Rahmenbedingungen das Ge-
meinwohlinteresse schützen.
In seinem Vortrag präsentierte Dr. Pocza die Ergebnisse seiner rechtsverglei-
chenden Forschung zur Rechtsprechung der Verfassungsgerichte in der Tschechi-
schen Republik, Deutschland, Ungarn, Polen, Rumänien und in der Slowakei.
Dabei untersucht er einerseits die vielfältigen Systeme der Verfassungsgerichtsbar-
keit in der Praxis, andererseits an welchen Kriterien der Grad der Bindungswir-
kung der Entscheidungen gegenüber dem Gesetzgeber gemessen werden kann.
Dadurch hat Dr. Pocza ermittelt, dass in Ungarn im Vergleich zu den anderen
Ländern die meisten divergierenden Urteile gefällt wurden. Dagegen knüpft das
BVerfG in seinen Entscheidungen am häufigsten an das positive Recht an. Wie Dr.
Pocza herausgestellt hat, entstehe durch die Anknüpfung an das positive Recht
wiederum die Möglichkeit zur Rechtsfortbildung.
Rechtsprechung in der europäischen Integration
Gegenstand des Vortrags von Prof Dr. Dres. h. c. Paul Kirchhof Bundesverfassungs-
richter a. D., Seniorprofessor distinctus (Universität Heidelberg), der durch Prof.
Dr. Hanno Kube, LL.M. vermittelt wurde, war die Bindungswirkung des Unions-
rechts in den Mitgliedstaaten. Einen wichtigen Rahmen boten die Ausführungen
zur zeitlichen Funktionalität des Gewaltenteilungsschemas, wonach die Gesetz-
gebung mit ihren Regeln weit in die Zukunft vorgreife; während die Regierung
als exekutive Gewalt sich mit der Gegenwart befasse und die Rechtsprechung in
die Vergangenheit blicke und begangene Fehler im Rahmen nachheriger Kontrol-
le korrigiere. Moderne Verfassungen haben dieses System der Gewaltenbalance
rechtlich dadurch ausgeformt, dass sie eine Verfassungsgerichtsbarkeit einrichten,
die am Maßstab der jeweiligen Staatsverfassung die Entscheidungen der ande-
ren Staatsorgane messen und bei Verfassungsverstößen aufheben und korrigieren
kann. Dabei wird insbesondere in der verfassungsrechtlichen Identitätsgarantie
ersichtlich, dass die Inhalte der Verfassung Ausdruck einer gewachsenen Verfas-
sungskultur sind und deshalb auch durch Verfassungsänderung nicht aufgegeben
werden dürfen. Gleichwohl ist Verfassungsrechtsprechung nicht Nachsprechen
von Vorgeschriebenem, sondern vervollständigendes, ergänzendes Nachdenken
strikter, historisch bewährter Maßstäbe für Politik und Recht.
Innerhalb des Verfassungsrechts entfaltet das Unionsrecht eine gewisse Ver-
bindlichkeit. Diese Verbindlichkeit erfordert nach den rechtsstaatlichen Grundsät-
zen eine Europäische Gerichtsbarkeit. Der EuGH hat jedoch keine Kompetenz,
eine inhaltliche Kontrolle des nationalen Verfassungsrechts durchzuführen, son-
dern ist auf die Anwendung und Fortbildung des Unionsrechts beschränkt. Da-
gegen hat das Verfassungsgericht eines Mitgliedstaates die jeweilige Verfassung des
353
Methodenlehre die Rationalität und Nachvollziehbarkeit der Auslegung fördert,
während organisatorische und verfahrensrechtliche Rahmenbedingungen das Ge-
meinwohlinteresse schützen.
In seinem Vortrag präsentierte Dr. Pocza die Ergebnisse seiner rechtsverglei-
chenden Forschung zur Rechtsprechung der Verfassungsgerichte in der Tschechi-
schen Republik, Deutschland, Ungarn, Polen, Rumänien und in der Slowakei.
Dabei untersucht er einerseits die vielfältigen Systeme der Verfassungsgerichtsbar-
keit in der Praxis, andererseits an welchen Kriterien der Grad der Bindungswir-
kung der Entscheidungen gegenüber dem Gesetzgeber gemessen werden kann.
Dadurch hat Dr. Pocza ermittelt, dass in Ungarn im Vergleich zu den anderen
Ländern die meisten divergierenden Urteile gefällt wurden. Dagegen knüpft das
BVerfG in seinen Entscheidungen am häufigsten an das positive Recht an. Wie Dr.
Pocza herausgestellt hat, entstehe durch die Anknüpfung an das positive Recht
wiederum die Möglichkeit zur Rechtsfortbildung.
Rechtsprechung in der europäischen Integration
Gegenstand des Vortrags von Prof Dr. Dres. h. c. Paul Kirchhof Bundesverfassungs-
richter a. D., Seniorprofessor distinctus (Universität Heidelberg), der durch Prof.
Dr. Hanno Kube, LL.M. vermittelt wurde, war die Bindungswirkung des Unions-
rechts in den Mitgliedstaaten. Einen wichtigen Rahmen boten die Ausführungen
zur zeitlichen Funktionalität des Gewaltenteilungsschemas, wonach die Gesetz-
gebung mit ihren Regeln weit in die Zukunft vorgreife; während die Regierung
als exekutive Gewalt sich mit der Gegenwart befasse und die Rechtsprechung in
die Vergangenheit blicke und begangene Fehler im Rahmen nachheriger Kontrol-
le korrigiere. Moderne Verfassungen haben dieses System der Gewaltenbalance
rechtlich dadurch ausgeformt, dass sie eine Verfassungsgerichtsbarkeit einrichten,
die am Maßstab der jeweiligen Staatsverfassung die Entscheidungen der ande-
ren Staatsorgane messen und bei Verfassungsverstößen aufheben und korrigieren
kann. Dabei wird insbesondere in der verfassungsrechtlichen Identitätsgarantie
ersichtlich, dass die Inhalte der Verfassung Ausdruck einer gewachsenen Verfas-
sungskultur sind und deshalb auch durch Verfassungsänderung nicht aufgegeben
werden dürfen. Gleichwohl ist Verfassungsrechtsprechung nicht Nachsprechen
von Vorgeschriebenem, sondern vervollständigendes, ergänzendes Nachdenken
strikter, historisch bewährter Maßstäbe für Politik und Recht.
Innerhalb des Verfassungsrechts entfaltet das Unionsrecht eine gewisse Ver-
bindlichkeit. Diese Verbindlichkeit erfordert nach den rechtsstaatlichen Grundsät-
zen eine Europäische Gerichtsbarkeit. Der EuGH hat jedoch keine Kompetenz,
eine inhaltliche Kontrolle des nationalen Verfassungsrechts durchzuführen, son-
dern ist auf die Anwendung und Fortbildung des Unionsrechts beschränkt. Da-
gegen hat das Verfassungsgericht eines Mitgliedstaates die jeweilige Verfassung des
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