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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe und Mitglieder
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II. Nachrufe
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Kaiser, Wolfgang: Joseph Georg Wolf (6.7.1930–31.5.2017)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0370
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Nachruf auf Joseph Georg Wolf

für Zivilrecht und Römisches Recht. Die Habilitationsschrift (erschienen 1970)
untersuchte die causa stipulationis, ein zentrales Thema des römischen Vertrags-
rechts. Schon im selben Jahr erhielt Wolf einen Ruf nach Freiburg als Nachfolger
von Fritz Pringsheim. Freiburg blieb er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1998,
also 34 Jahre lang, treu; Rufe nach Bern, Göttingen, Heidelberg und Wien lehn-
te er ab. 1981 wurde Wolf korrespondierendes Mitglied der Geistes- und Gesell-
schaftswissenschaftlichen Klasse der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen,
1982 ordentliches Mitglied der Heidelberger Akademie.
Die wissenschaftlichen Arbeiten von Wölf waren von Anfang an von einem
umfassenden Zugriff auf das römische Recht geprägt. Neben der intensiven Aus-
einandersetzung mit den genuin juristischen Quellen - Wolf war ein exzellenter
Jurist - stand die Berücksichtigung anderer, insbesondere literarischer Texte.
Der Zugang auch zu Quellen außerhalb des juristischen Kanons ermöglichte
es Wolf, sich mit der sehr quellenarmen Frühzeit des römischen Rechts ausei-
nanderzusetzen. Er beschäftigte sich mit einem merkwürdigen Ritual der Dieb-
stahlsverfolgung (quaestio lance et Heio) und untersuchte die früheste bekannte Form
der Herausgabeklage eines Eigentümers.
Pionierleistungen erbrachte Wolf bei der Erschließung eines aufsehenerre-
genden Urkundenfundes aus der Nähe von Pompeji in der heutigen Gemarkung
Murecine. Dort war bei einer Notgrabung anlässlich des Baus der Autostrada
Pompeji-Salerno im April 1959 in einer weitläufigen Villa, wohl dem Sitz eines
collegium, ein Weidenkorb entdeckt worden, der vollständig mit Urkunden auf
Holztäfelchen (tabulae ceratae) aufgefüllt war. Die Holztäfelchen wurden glückli-
cherweise zeitnah fotografiert, denn mangels geeigneter Konservierungsmethoden
trockneten sie bald aus und sind heute nahezu unleserlich. Aufgrund seiner guten
Kontakte nach Neapel erhielt Wolf einen kompletten Satz der Fotos. Die Täfel-
chen sind einzigartige Dokumente für die Rechtspraxis und das Wirtschaftsleben
in Puzzuoli und Umgebung vor dem Ausbruch des Vesuvs im Jahre 79 n. Chr.
Die Urkunden stammen aus den Jahren 29 bis 61 n. Chr. (freilich ist nicht für
alle Urkunden die Datierung erhalten) und dokumentieren die Geschäfte eines
„Bankhauses“ (argentarii) mit Sitz in Pozzuoli. Wolf erkannte bald, dass die Erst-
edition durch C. Giordano (1966-1972) vielfach Fehllesungen aufwiesen, die
das Verständnis der Urkunden beeinträchtigten, und machte daher schon in den
siebziger Jahren die Urkunden und deren Entzifferung zum Gegenstand seiner
Seminare. Aus der intensiven Beschäftigung erwuchsen zahlreiche Publikationen
(jetzt: J. G. Wolf, Aus dem neuen pompejanischen Urkundenfund. Gesammelte
Aufsätze, Berlin 2010). Noch im Alter von 80 Jahren legte er eine Neuedition mit
deutscher Übersetzung vor (Neue Rechtsurkunden aus Pompeji. Tabulae Pompei-
anae Novae. Lateinisch und Deutsch, Darmstadt 2010).
Eine weitere Neuentdeckung faszinierte den Forschergeist von J. G. Wolf
nach seiner Emeritierung: Raubgräber hatten in Spanien Bronzetafeln mit dem

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