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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe und Mitglieder
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II. Nachrufe
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Kaiser, Wolfgang: Joseph Georg Wolf (6.7.1930–31.5.2017)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0371
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D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe, Mitglieder

Stadtrecht einer bis dahin unbekannten Stadt namens Irni entdeckt (Lex Irnitana)
und auf dem Antikenmarkt verkauft. Die Tafeln konnten allerdings für die For-
schung gesichert werden und befinden sich heute im Archäologischen Museum
von Sevilla. Es handelt sich um das am besten bezeugte Stadtrecht aus römischer
Zeit (sechs von zehn Bronzetafeln sind erhalten). Die Lex Irnitana, der ein Mus-
terformular für Stadtrechte aus flavischer Zeit zugrundeliegt, bietet viele prozes-
suale Vorschriften, die wiederum Rückschlüsse auf das Verfahren in der Stadt Rom
ermöglichen. Wolf beschäftigte sich seit dem Jahre 2000 in zahlreichen Aufsätzen
mit der Lex Irnitana (jetzt: J. G. Wolf, Lex Irnitana. Gesammelte Aufsätze, Berlin
2012). Mit 81 Jahren legte Wolf in unermüdlicher Schaffenskraft noch eine kom-
mentierte Ausgabe des Stadtrechts mit deutscher Übersetzung vor (Die Lex Irni-
tana. Ein römisches Stadtrecht aus Spanien. Lateinisch und deutsch, Darmstadt
2011).
In seiner letzten großen Publikation wandte sich Wolf einer Grundfrage der
Überlieferung römischer Rechtstexte in den Digesten Justinians zu: In welchem
Umfang ist mit Eingriffen (Interpolationen) der justinianischen Digestenkommis-
sion bei der Zusammenstellung der Digesten zu rechnen? (Interpolationen in den
Digesten, SDHI 79 [2013], S. 3-80).
Ein großes Anliegen war es J. G. Wolf, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu
fördern, für dessen Betreuung er sich viel Zeit nahm. In seinen Seminaren disku-
tierten Studierende, Assistenten, Gäste und natürlich er selbst in einer Intensität
und Tiefe über die römischen Rechtsquellen, die andernorts kaum erreicht wurde
und seinem Seminar in Fachkreisen große Bekanntheit und Anerkennung ver-
schafften. In seinen Vorlesungen zum Zivilrecht und römischen Recht war Wolf
sehr an einer lebhaften, für Beiträge der Studierenden zugänglichen Gestaltung
gelegen.
Wolf sah in den römischen Juristen eigenständige Denker. Systematisch ließ
er daher durch eine Reihe seiner Schüler die Schriften einzelner Juristen auf ihre
sprachlichen und inhaltlichen, aber auch überlieferungsgeschichtlichen Besonder-
heiten untersuchen (so etwa Proculi Epistulae: Ch. Krampe, 1970; Opera Neratii:
R. Greiner, 1973; lavoleni epistulae: B. Eckardt, 1978; Die libri ex Cassio des la-
volenus Priscus: U. Manthe, 1982; Marcelli notae ad luliani digesta: J. Rastätter,
1980; Die Überlieferung der libri posteriores des Antistius Labeo: Ch. Kohlhaas,
1986; Pauli Quaestiones: J. Schmidt-Ott, 1993; Alfeni Digesta: H.-J. Roth, 1999;
Argumenta luventiana: J. Harke, 1999; Der Über singularis responsorum des Ulpi-
us Marcellus: C. Zülch, 2001).
Gemeinsam mit Karl Kroeschell, Detlef Liebs und Elmar Bund begründete
J. G. Wolf im Jahre 1978 die Freiburger Rechtshistorischen Abhandlungen neu.
Deren erste Folge hatten Fritz Pringsheim und Claudius Freiherr von Schwerin
1931 initiiert. Sie brach aber schon 1935 mit der Enthebung Pringsheims von sei-
nem Lehramt durch die Nationalsozialisten ab.

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