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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe und Mitglieder
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II. Nachrufe
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Kielmansegg, Peter: Eberhard Jäckel (29.6.1929–16.8.2017)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0374
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Nachruf auf Eberhard Jäckel

Zunft in gewissem Sinn ein Außenseiter, ein geachteter Außenseiter, ein Außen-
seiter mit großer Resonanz, aber doch einer, der seinen eigenen Weg ging. Dabei
ist die lebenslange Fixierung auf ein Forschungsthema, so bemerkenswert sie ist,
gar nicht das Entscheidende. Jäckel war, jedenfalls im deutschen Kontext, eine
Wissenschaftlerpersönlichkeit ganz eigenen Profils in der Art, wie er Wissen-
schaft und aufklärendes Hineinwirken in die Öffentlichkeit verband. Er war eine
Wissenschaftlerpersönlichkeit ganz eigenen Profils in der Selbstverständlichkeit,
mit der er nicht nur Wissenschaftler sondern auch aktiver, entschieden partei-
politisch engagierter Bürger war. Und er war eine Wissenschaftlerpersönlichkeit
ganz eigenen Ranges, insofern er die Erinnerungskultur dieses Landes weit über
das hinaus, was ein Historiker durch seine wissenschaftliche Arbeit zu leisten
vermag, mitgeprägt hat. Ohne ihn gäbe es das Denkmal für die ermordeten Ju-
den Europas inmitten Berlins, ein paar Schritte südlich des Brandenburger Tores,
vermutlich nicht.
Eberhard Jäckel wurde am 29. Juni 1929 als ältester von drei Brüdern im da-
mals preußischen Wesermünde, heute ein Ortsteil von Bremerhaven, geboren.
Sein Vater, ein Diplomingenieur, leitete in raschem Wechsel Baustellen an Was-
serläufen, Schleusenbauten etwa. Die Familie musste häufig umziehen. In Jäckels
Antrittsrede in der Akademie findet sich der bemerkenswerte Satz „Ich bin hei-
matlos und empfinde es als ein Glück“. Über das „Glück“ der Heimatlosigkeit
würde man gern noch einmal mit ihm reden. Es war wohl das Nicht-an-einen-
Ort-Gebunden-Sein, das er als Glück empfand, die Offenheit für die Welt. Sie hat
sein Leben in der Tat bestimmt.
Jäckel entschied sich nach einer Schulzeit an drei verschiedenen humanisti-
schen Gymnasien für das Studium der Geschichte, begann es in Göttingen, von
wo ihn der Weg über Tübingen nach Freiburg führte. Ein Aufenthalt an der Uni-
versity of Florida in Gainesville und ein Studienjahr in Paris, durch das ihm, wie
er gelegentlich sagte, Frankreich zur zweiten Heimat wurde, waren erste Schritte
in jene Weltläufigkeit hinein, die ihn später auszeichnen sollte. 1955 wurde er von
Gerhard Ritter, den man für jene Jahre wohl den Doyen der deutschen Neuzeit-
historiker nennen darf, mit einer Arbeit über Thomas Morus promoviert, eine
Figur, mit der sich Ritter, wie man weiß, in seinem Buch über die „Dämonie der
Macht“ selbst intensiv beschäftigt hat.
Die nächste Station war Kiel. Jäckel wurde Mitarbeiter von Karl-Dietrich Erd-
mann. Bei ihm habilitierte er sich 1961, 32 Jahre alt, mit einer Arbeit über die na-
tionalsozialistische Frankreichpolitik in den Jahren der Besetzung. Sie wurde 1966
unter dem Titel „Frankreich in Hitlers Europa. Die deutsche Frankreichpolitik im
Zweiten Weltkrieg“ veröffentlicht und als ein wichtiger Beitrag zur Erforschung
der nationalsozialistischen Hegemonialpolitik im besiegten und besetzten Europa
vom Höhepunkt deutscher Macht 1940 bis zu ihrem Zusammenbruch 1945 auf-
genommen. Die Dozentenjahre in Kiel wurden durch eine einjährige Lehrtätigkeit

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