Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

DOI Kapitel:
D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe und Mitglieder
DOI Kapitel:
II. Nachrufe
DOI Artikel:
Kielmansegg, Peter: Eberhard Jäckel (29.6.1929–16.8.2017)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0379
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe, Mitglieder

Gedächtnis des Landes unwiderruflich einzuprägen, sondern auch um eine Geste
gegenüber den Millionen Opfern, eine in Stein gefasste Verneigung vor ihnen. Das
Stelenfeld wurde 2005 vollendet. Es ist ein Teil Berlins geworden. Die Konflikte,
die durchzustehen waren, bis das Ziel erreicht war, sind Vergangenheit.
Zu den Streitfragen, die im Vorfeld heftig diskutiert wurden, gehörte übrigens
auch die, ob das Mahnmal nur den ermordeten Juden oder auch anderen Gruppen
von Opfern der NS-Herrschaft gewidmet sein solle. Jäckel hat konsequent für
seine Überzeugung gefochten, dass die Ermordung der europäischen Juden ein
einzigartiges Verbrechen gewesen sei. Und hat sich nicht gescheut, sich auf eine
heftige Auseinandersetzung mit dem Verband der Sinti und Roma einzulassen, der
vehement für die ermordeten „Zigeuner“ den gleichen Opferstatus beanspruchte.
Jäckel hat sich mit seiner Auffassung durchgesetzt.
Am Ende gilt es noch einmal zurückzukehren zu den wissenschaftlichen
Kontroversen, an denen Jäckel beteiligt war. Es hat, mindestens zeitweise, eine auf-
fallende und eigentümliche Verflechtung zwischen wissenschaftlichen Positionen
und politischen Standorten der Beteiligten gegeben derart, dass die eine Deutung
des nationalsozialistischen Herrschaftssystems eher bei politisch links stehenden,
die andere bei politisch rechts stehenden Historikern zu finden war. Es ist charak-
teristisch für die Souveränität und Unabhängigkeit des Wissenschaftlers Eberhard
Jäckel, dass er sich dieser schematischen Einordnung entzog. Mit seinen Thesen
von der monokratischen Struktur des Dritten Reiches, von der Schlüsselstellung
Hitlers im nationalsozialistischen Herrschaftssystem und dem programmatischen
Charakter seiner Gewaltherrschaft vertrat er Auffassungen, die unter den Zunft-
genossen, die ihm in ihren politischen Einstellungen nahestanden, viel weniger
verbreitet und populär waren als auf der andern Seite.
Jäckels Souveränität und Unabhängigkeit des Urteils traten eindrucksvoll
auch in dem berühmt-berüchtigten „Historikerstreit“ der achtziger Jahre hervor.
Er hat in diesem Streit zwar ganz entschieden und mit Schärfe Partei ergriffen, vor
allem gegen Ernst Nolte. Aber er hat zugleich den Mut und den Anstand gehabt,
Andreas Hillgruber gegen die von Habermas leichtfertig und ohne wirkliche Sach-
kenntnis in die Welt gesetzten und von anderen nachgeredeten und nachgeschrie-
benen Anwürfe zu verteidigen. Jäckels Einführung zu der Gedächtnisschrift für
Hillgruber - „Vom Kampf des Urteils gegen das Vorurteil“ hat er sie überschrieben
- ist ein schönes, ein geradezu exemplarisches Zeugnis menschlicher und wissen-
schaftlicher Redlichkeit im Umgang mit einem zu Unrecht verfemten Kollegen.
Der kurze Essay ist, wie es ausdrücklich heißt, „Andreas Hillgruber zu Ehren“
geschrieben. Er ehrt auch seinen Autor.
Am 16. August 2017 ist Eberhard Jäckel in Bühl bei Baden-Baden ge-
storben.
Peter Graf Kielmansegg

380
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften