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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe und Mitglieder
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II. Nachrufe
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Kielmansegg, Peter: Eberhard Jäckel (29.6.1929–16.8.2017)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0378
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Nachruf auf Eberhard Jäckel

Zusammen mit der Journalistin Lea Rosh hat er dem deutschen Publikum die
Deportation und Ermordung der europäischen Juden durch Hitler-Deutschland
in einer vierteiligen Fernsehserie eindringlich vor Augen geführt. Sie trug den
Celan’schen Titel „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“, erschien dann auch
als Buch und brachte ihm und Lea Rosh den Geschwister-Scholl-Preis ein. Nach
1990 hat Jäckel maßgeblich an der Entwicklung einer neuen Konzeption für die
Gedenkstätte Buchenwald mitgearbeitet. Und war dann auch folgerichtig einige
Jahre Vorsitzender des Kuratoriums der Gedenkstätte.
Er habe das Fernsehen nicht gesucht, hat er in seiner Heidelberger Antritts-
rede bemerkt, sich ihm aber auch ganz bewusst nicht entzogen. Und hinzugefügt:
Unter den Kollegen habe das sein Ansehen nicht erhöht. Das war wohl so. Aber
Jäckel war souverän genug, es in Kauf zu nehmen. Dass er öffentlich so wirken
konnte, wie er gewirkt hat, hat viel damit zu tun, dass er die Gabe besaß, klar zu
formulieren und schlüssig zu argumentieren; den Mut, seine Meinung entschie-
den zu vertreten; und die Fähigkeit zu streiten, ohne zu verletzen. Der Gegenstand
seiner wissenschaftlichen Arbeit drängte ihn, aufklärerisch, ja erzieherisch zu wir-
ken. Sein Verständnis des Berufs des Historikers stand dem nicht entgegen, im
Gegenteil. Und seine Gaben befähigten ihn dazu. Es war vor allem dieses Wirken,
für das der Bundespräsident Jäckel mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse
auszeichnete.
Eberhard Jäckel war nicht nur Wissenschaftler und als Wissenschaftler Auf-
klärer, er war auch ein homo politicus. Und auch dies wieder mit einer Entschie-
denheit, die gerade Wissenschaftlern in der Regel schwer fällt. 1967 trat er in die
SPD ein. Alsbald gründete er mit Günter Grass zusammen eine Wählerinitiative,
die in zahlreichen Wahlkampfauftritten für Willy Brandt warb; war selbst, wie man
bei Günter Grass in seinem „Tagebuch einer Schnecke“ nachlesen kann, als Wahl-
kämpfer unterwegs; und unterstützte mit großem Engagement Brandts Ostpolitik
in den Jahren, in denen die Republik leidenschaftlich über sie stritt. Auch schrieb
er Reden für Gustav Heinemann, den Bundespräsidenten der Jahre 1969 bis 1974,
dem es wichtig war, die demokratischen Traditionen der deutschen Geschichte
stärker ins allgemeine Bewusstsein zu heben. Jäckel, seinem politischen Habitus
nach eher ein sehr selbstständig denkender Sozialliberaler als ein Sozialdemokrat
im traditionellen Verständnis, blieb seiner Partei zeitlebens treu.
Auch jene Initiative, aus der schließlich das „Denkmal für die ermordeten Ju-
den Europas“ im Zentrum der Stadt hervorging, die Hitlers Reichshauptstadt ge-
wesen war, geteilt zum Symbol des Selbstbehauptungswillens westlicher Freiheit
wurde und schließlich die Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands, wird
man dem homo politicus Jäckel zurechnen dürfen. Seit den achtziger Jahren hat
er mit bewundernswertem Einsatz, größter Beharrlichkeit und kämpferischer Ent-
schlossenheit zusammen mit Lea Rosh auf dieses Ziel hingearbeitet. Es ging ihm
wohl nicht nur darum, die größte Untat der deutschen Geschichte dem kollektiven

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