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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe und Mitglieder
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II. Nachrufe
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Kielmansegg, Peter: Eberhard Jäckel (29.6.1929–16.8.2017)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0377
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D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe, Mitglieder

habe, die Deutschen gewesen, denen dieses einzigartige Verbrechen zuzurechnen
sei. Als pauschale Schuldzuweisung hat Jäckel dieses Urteil freilich nie verstanden
wissen wollen. Er plädierte dafür, genau hinzusehen. So hat er Goldhagens These
von dem „mörderischen Antisemitismus“ „der“ Deutschen ebenso kritisiert wie
die Formel von den Verbrechen „der“ Wehrmacht, die das Hamburger Institut für
Sozialwissenschaft mit seiner so betitelten Ausstellung in Umlauf setzte.
Im Übrigen gilt: Jäckels fast lebenslanges Engagement darf nicht darüber
hinwegtäuschen, dass die deutsche Geschichtswissenschaft in der Holocaust-For-
schung keine führende Rolle gespielt hat. Durch Eberhard Jäckel vor allem ist sie
aber doch immerhin gewichtig präsent gewesen auf diesem Feld. Dass sich aus
seiner Forschungsthematik für ihn enge Kontakte zu Israel ergaben, ist nicht über-
raschend. Über lange Zeit ist Jäckel fast jährlich in Israel gewesen.
Kein Historiker, der sich den Nationalsozialismus zum Gegenstand wählt, hat
nur die zwölf Jahre im Blick. Die Frage nach dem Weg, der in die Gewaltherrschaft
führte, ist unabweisbar. Und die Frage, wie Deutschland nach 1945 mit der Last
dieser Geschichte weiterleben konnte, weiterlebte, drängt sich auf. Eberhard Jäckel
hat sich denn auch im siebentenJahrzehnt seines Lebens, nach der Wiederverei-
nigung, gleichsam einen Schlusspunkt hinter sein wissenschaftliches Lebenswerk
setzend, noch an einer knappen Gesamtdarstellung der deutschen Geschichte im
20. Jahrhundert versucht: „Das deutsche Jahrhundert. Eine historische Bilanz“
(1996). Der Titel, der manche Rezensenten irritierte, rechtfertige sich, schreibt
Jäckel selbst im Vorwort, allein aus dem, was Deutschland sich und der Welt in
diesem Jahrhundert angetan habe. Und so stehen denn Hitler und seine zwölf
Jahren auch im Mittelpunkt dieses Buches. Dazu die Vorgeschichte, die Jäckel in
gewissem Sinn wichtiger war als die Nachgeschichte - er entwickelte für die vier-
zehn Weimarer Jahre ein ebenso einfaches wie plausibles Deutungsschema: Es sei
nach dem Zusammenbruch der Monarchie 1918 ein Kampf um die Staatsgewalt
zwischen Monarchisten und Republikanern ausgebrochen, den keines der beiden
Lager für sich habe entscheiden können. Die Republikaner hätten am Ende den
Kampf verloren, aber die Monarchisten, deren Ziel die Rückkehr zur konstitutio-
nellen Monarchie gewesen sei, hätten ihn nicht gewonnen. Eine dritte Partei, die
für Diktatur und Gewaltherrschaft stand, eben Hitlers NSDAP, habe gesiegt, mit
der in verhängnisvoller Blindheit gewährten Unterstützung der Monarchisten.
Natürlich hängt es mit seiner wissenschaftlichen Lebensthematik zusammen,
dass Jäckel wie wenige seines Faches über die Universität hinauswirken wollte
und konnte. Von den sechziger Jahren an war er wie kaum ein anderer unter den
deutschen Historikern präsent in den Medien, im Fernsehen, im Rundfunk, in
Zeitungen, auf Diskussionsforen und in Vorträgen. Auch sein Engagement für die
populärhistorische Zeitschrift „damals“ gehört hierher. An vielen zeithistorischen
Projekten des Fernsehens - das Genre hatte Konjunktur und die Auseinanderset-
zung mit dem Nationalsozialismus hatte es auch - hat er als Berater mitgewirkt.

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