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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Franz, Gunther [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0037
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Almosen- und ähnliche Ordnnngen wenigstens teilweise aufzunehmen, wurde eher etwas extensiv
gehandhabt, um die enge Verflechtung von Kirche, Zucht und Sitte und täglichem Leben aufzu-
zeigen. Die Quellen zur Ehegesetzgebung und Privatrecht finden von juristischer Seite durchaus
Interesse. Es ist die Frage, ob in späteren Bänden nicht auch Schulordnungen aufgenommen wer-
den sollen, die nötig sind, um einen vollständigen Überblick auf den kirchlichen Bereich im da-
maligen Verständnis zu gewinnen. Hier konnten nach der Schulordnung von 1549 (Nr. 4) nur einige
direkt Gottesdienst und Geistliche betreffende Abschnitte aus Schulordnungen aufgenommen wer-
den.

Der relative Umfang eines selbständigen Bandes Hohenlohe mag zunächst überraschen. Da
die Bearbeitung auch aller kleineren deutschen evangelischen Territorien kaum zu einem Ende ge-
führt werden könnte, liegt die besondere Bedeutung des Bandes darin, daß wie auf anderen Gebie-
ten durch da-s reiche Archivmaterial die Grafschaft Hohenlohe als Beispiel bearbeitet werclen kann.
Man braucht nur zu vergleichen, wie wenig Ordnungen jeweils von den fränkischen und bay-
rischen Grafschaften in Sehling 11-13 aufgenommen werden konnten. (Von der recht stattlichen
Grafschaft Öttingen-Öttingen konnte nur eine kurze Visitationsordnung abgedruckt werden. Um
Stückwerk zu vermeiden und wegen der ungünstigen Archivverhältnisse wurde auf clie Bearbeitung
cler Hohenlohe benachbarten Ritterschaft und der Grafschaft Limpurg, in der die württembergische
Kirchenorclnung verwendet wurde, zunächst verzichtet.)

Nachdem die Kirchenordnungen vor allem in den Zentren erforscht worden sind, kann in vor-
liegendem Band ein nahezu vollständiges Bild des kirchlichen Lebens in der 2. Hälfte des 16. Jahr-
hunderts in einem abseits gelegenen kleinen Territorium dargeboten werden. In Hohenlohe, das
neben der gemeinsamen Stadt Öhringen aus bis zu vier selbständigen Grafschaften bestand, hatten
die Kirchenordnungen trotz der Kreuzung verschiedener Einflüsse ein durchaus eigenständiges
Gepräge.

Das Gesetzgebungswerk von Graf Wolfgang konnte dabei, soweit es das kirchliche Regiment
betrifft, vollständig vorgelegt werden. Es zeigt Hohenlohe in cler Spannung zwischen Luthertum
und Calvinismus und bietet interessantes Anschauungsmaterial zur Entwicklung des Eriihabsolu-
tismus. Der Landesherr griff ordnend und kontrollierend in alle Lebensbereiche ein. Die Sorge fiir
das Seelenheil uncl fromme Leben der Untertanen verband sich aufs engste mit Bemiihungen um
die ,,gute Polizei“. Das Ideal des christlichen Fürsten hatte die alttestamentlichen Könige zum
Vorbild. Es ist bekannt, in welchem Maße die theokratischen Verhältnisse Israels auf Calvin und
den Genfer Staat einwirkten. Nicht nur im calvinistischen Nassau-Dillenburg, sondern auch in
lutherischen Territorien wie Württemberg unter Herzog Christoph und Hohenlohe unter Graf
Wolfgang suchte man mit Hilfe von Gesetzen uncl Visitationen ein gottwohlgefälliges, christliches
Gemeinwesen zu schaffen 52. Auch im gegenreformatorischen Bayern Maximilians II. finden sich
entsprechende Gesetze und Bestrebungen. Für clie Verwirklichung eines utopischen Zieles wurde
die persönliche Freiheit der Untertanen stark cingeschränkt, ein christlicher Polizeistaat geschaffen.
Allerdings müssen für Hohenlohe clie engen räumlichen Verhältnisse und die patriarchalische
Regierungsform in Rechnung gestellt werclen. Die in verschiedenen Territorien geschaffene christ-
liche Ordnung ging in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges zugrunde. Trotz des weiteren Aus-
baus der absolutistischen Regierungsform in Deutschland wurde der Versuch einer totalen Regle-
mentierung des christlichen Lebens nicht wiederholt.

52 Vgl. die Beiträge von M.Brecht, G.Franz 1111(1 P.Münch in: Sensibilite religieuse et discipline ecclesiastique.
Strasbourg 1975 (Recherches et Documents. T. 21).

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