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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Franz, Gunther [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0057
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3. Vermahnungen und Gebete 1544—1550

Dieweil ich dann meiner schweren bürden nit an-
derst kan loß werden und kan auch meiner vilfeltigen
sünden halb nit ledig werden, dann allein durch dich,
meinen Gott und Herrn, so klag ich dir jetzt von hert-
zen mein ellend und jammer und in sonderheit, was
ich heut disen t-ag wider dich gesündiget hab, einen
schweren fall getan, in die sünd bewilligt und dieselben
verbracht 19 wider deinen göttlichen befelch, on was
ich sonst auß heuchley, mit betrug, im schein und auß
falschem hertzen teglich tue mit versaumnuß, hösen
listen und tücken, es sey mit bösen gedanken, worten
oder werken, wissend oder unwissend, heimlich oder
öffentlich, es sey wider dich oder wider die liebe meines
nehesten.

Solches alles bekenne und beichte ich dir, erkenne
es auch von hertzen und hitte dich, du wöllest mir auß
gnaden alle meine sünde gnediglich und vätterlich
verzeihen, wöllest allein ansehen den herhen todt,
marter und blutvergiessen deines eingehornen, lieben
sons, in welchem du ein wolgefallen hast 20, der un-
schuldiglich für mich armen sünder gestorben ist. Mein
Gott und Herr, sihe an deinen lieben son und sonder-
lich seine grosse liehe, die er uns armen sündern er-
zeigt hat, da er so gedultig und willig hin ist gangen
in todt. Sihe auch an den grossen gehorsam 21, den dir
dein heber son von unsertwegen geleistet hat, da er an
das creutz in todt, grab und hell sich demütiglich ge-
geben hat. Sihe auch an die grosse herligkeit, damit
du deinen son gezieret hast, da du in zum herrn uber
alles hast gesetzt. Umb solcher liebe, gehorsam und
herrhgkeit willen wöllest mir disen meinen heutigen
fal, da ich in die versuchung bewilligt hab, sambt al-
len andern meinen vorigen sünden, so ich von jugent
auf getan hab, gnediglich vergeben. Dann ich bin in
sünden entpfangen, geborn und auferwachsen, lebe
und schwebe noch darinnen on unterlaß, das also die
sünd meinen gantzen leib, mark und bein durchgangen
haben 22. Derhalb so wöhest mir solche meine sünd
alle miteinander gnediglich verzeihen und vergeben,
dieselbigen zurückwerfen 23, nimmermehr gedenken
und weder an leib oder seel straffen, weder zeitlich
noch ewiglich, dann du bist reich uber alle die, so dich
anrüffen. Und dieweil du nit wilt den todt des sün-
ders, sonder das sich der sünder bekere und lebe 24, so
bitte ich dich, du wöllest mir einen guten fürsatz ge-
ben, mein leben zu bessern, und, seintemal du mir
auch verheissen hast, durch deinen lieben son, was ich
dich bitten werde in seinem namen, das wöllest du mir
geben 26, so bitte ich dich durch Christum, du wöllest

h Zu streichen?

19 Verbringen = ausführen, vollbringen (Grimm 12, 1,
174).

20 Mt 3, 17 u.a.

21 Phil 2, 8.

22 Ps 51, 7.

23 = etwas nicht anrechnen, zurückweisen (Huberinus,
Spiegel der Hauszucht, zitiert Grimrn 16, 710f.).

24 Ez 18, 23; 33, 11.

25 Joh 15, 16.

mir dise und h meine sünd alle verzeihen und mir dei-
nen Heyligen Geist schenken, das ich bestendiglich
verharren möge in einem gottseligen leben.

Ich bitte dich auch, mein lieber herr und heiland
Jesu Christe, dieweil du mein mitler, fürsprecher, ver-
söner und hoherpriester bist, du wöllest von meinet-
wegen das allerbeste tun, zur rechten Gottes mich ver-
tretten, mitlen, versönen und für mich bitten, deinem
himmlischen vatter, mich armen sünder wider zu
gnad und Huld bringen, das ich wid er ein kind Gottes
sey und bleibe ewiglich.

Ich bitte dich auch ferner, mein herr und heiland,
du wöllest mich widerumb aufnemen in dein gnaden-
reich, darauß ich gefallen bin durch die sünd, in den
todt und verdamnuß. Wöllest mich auf ein newes wider
annemen zu gnaden, zu hulden, zum kind Gottes in
das himmelreich, in das ewige leben. Wöllest mir auch
gnediglich verzeihen, was ich wider dich selber, wider
deine ewige Gottheit, unsterbliche menscheit und
wider dein heiligs ampt 28 unrechts getan habe. Wöllest
meine sünd bergen und zudecken als ein unsterblicher,
gewaltiger könig, auf das der Satan und die böse welt
dieselbigen nicht rügen können, auf das dein nam,
wort und kirch nit dardurch gelestert, verachtet und
geergert werde. Darumb wehr dem bösen feind und
allen falschen zungen 27.

Vergib mir auch, du Heyliger Geist, was ich wider
dich mißgehandelt hab, da ich deine gaben und gna-
den mißbraucht und deinem ampt widerstrebt hab.
Nimm deine gnade und gaben nicht von mir, sondern
erhalte, sterke, mehr und bekreftige dieselbigen bey
mir für und für biß an das ende. So vergib uns nun
also, mein Gott und vatter, alle unsere schult und gib
uns auch ein liehreiches hertz, das wir einander auch
von hertzen mögen verzeihen, durch unsern herrn
Jesum Christum im Heyligen Geist. Amen.

Ach du almechtiger, ewiger, gütiger Got und Vatter.
Dieweil ich von dir auß gnaden durch den verdienst
Christi vergebung aller meiner sünden erlangt habe,
das du dieselbigen an der selen nimmermehr straffen
wilt, so tu ich jetzt weiter auch zum andern den an-
gesichtfal vor deiner gewaltigen göttlichen maiestat
und demütige mich vor dir aufs allernidrigest und
bitte dich auß hertzengrund in kindlicher zuversicht,
das du auch meine getane sünd eusserlich und zeitlich
an diesem meinem alten Adam, der vor dir da in aller
demut und gehorsam auf der erden vor deinem ange-
sicht ligt, nicht straffen oder rechen wöllest. Darum
appellier ich jetzt vom richterstul zum gnadenstul,

28 Christi Person und Amt, die wie Erlöser und Er-
lösung als Einheit betrachtet werden müssen, die-
nen hier als Bezeichnung seiner selbst. Zu den re-
formatorischen Lehren vgl. E. Hirsch, Hilfsbuch
zum Studium der Dogmatik. 3. Aufl. Berhn 1958,
26-74.

27 Iluberinus konnte aus eigener Erfahrung klagen und
veröffentlichte 1531 (Vorrede) ein Schrift: Von
bosen falschen / Zungen. / Caspar Huberinus. / ...
Franz, Huberinus - Rhegius - Holbein, Nr. 12.1-
12.5.

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