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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2002 — 2003

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I. Das Geschäftsjahr 2002
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Gesamtsitzung am 9. Februar 2002
DOI Artikel:
Dosch, Hans Günter: Musikalische Harmonie - Physik, Physiologie, Psychologie
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https://doi.org/10.11588/diglit.66351#0049
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60 | SITZUNGEN
gleichzeitig hört. Man kann an ihm demonstrieren, dass grob die folgende Entspre-
chung gilt: Die Tonhöhe ist bestimmt durch die Frequenz, d. h. die inverse Periode,
die Lautstärke durch die Amplitude und die Klangfarbe durch die spektrale Zu-
sammensetzung.
Das Ohr kann als Frequenzanalysator betrachtet werden. Sinus-Töne verschie-
dener Frequenz erregen verschiedene Stellen der Basilarmembran im Innenohr und
regen damit verschiedene Neuronen an (Tonotopie).
Konsonanz
Zwei Sinus-Töne: Der Sinnes-Eindruck zweier gleichzeitig angebotener Sinus-
Töne hängt sehr von dem Unterschied der Tonhöhen ab. Für kleine Frequenzunter-
schiede hört man deutliche Schwebungen, für grössere Unterschiede einen rauhen
Ton und schliesslich, bei einer Tonhöhendifferenz von mehr als einem Ganzton, zwei
getrennte Töne, die sich nicht beeinflussen. Das lässt sich sehr schön demonstrieren
und kann auch mit Hilfe des sowohl psychoakustisch als auch sinnesphysiologisch
begründeten Konzepts der „kritischen Bandbreite“12 erklärt werden. Unterscheiden
sich die Töne in ihrer Frequenz um mehr als die kritische Bandbreite, so werden sie
deutlich getrennt gehört. Die kritische Bandbreite ist im mittleren und oberen Fre-
quenzbereich (oberhalb Tenorlage) etwa eine kleine Terz und entspricht etwa dem
Abstand von 1 mm auf der Basilarmembran. Sie hängt im Bass sehr von der Frequenz
ab und ist in den tiefsten Lagen grösser als eine Quint. Dies ist der Grund dafür, dass
in der musikalischen Literatur bis zum 20. Jahrhundert Terzen im Bass selten vor-
kommen. Man kann sich davon leicht an jeder Partitur überzeugen.
Dieses Zweitonverhalten ist auch der Grund für die phytagoraeischen Zahlen-
verhältnisse. Man muss dieses Zweitonverhalten nur auf das gesamte Obertonspek-
trum anwenden. Dann findet man zum Beispiel, dass bei der Septim der Grundton des
oberen Tones mit dem 1. Oberton des unteren Tones reibt. Bei dem vollkommensten
harmonischen Intervall, der Oktav, reiben sich weder der Grundton noch die Ober-
töne. Damit lässt sich für jedes Intervall der Dissonanzgrad berechnen, der mit dem
musikalischen und psychophysischen gut übereinstimmt. Es sei angemerkt, dass neuere
Auswertungen z.B. einer japanischen Forschergruppe die alten Rechnungen Helm-
holtzens sehr gut bestätigen. Der Befund ist wohl unabhängig vom Kulturkreis.
Harmonie
Perzeption und Apperzeption (Helmholtz)
Obwohl ein komplexer Ton in viele Sinus-Töne zerlegt werden kann, wird er durch-
aus als ein Klang empfanden. Nur wenn man seine Aufmerksamkeit darauf richtet,
nimmt man die einzelnen Komponenten tatsächlich wahr: die Oktav, die Duodezim,
die Doppeloktav, Octodezim (Doppeloktav plus Terz) und so weiter. Dies lässt sich mit
dem Fourier-Analysator und einem Synthetizer, aber auch im Selbsttest am Klavier,

12

E. Zwicker and H. Fastl. Psychodcoustics. Springer, Berlin, Heidelberg, New York, 2. Auflage, 1999.
 
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