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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2002 — 2003

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I. Das Geschäftsjahr 2002
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Sitzung der Math.-nat. Klasse am 27. April 2002
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Sessler, Gerhard Martin: Vom Silizium-Mikrophon zum Konzertsaal - Neue Aspekte der Akustik
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https://doi.org/10.11588/diglit.66351#0055
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66 | SITZUNGEN

sein und liegt für gute Konzertsäle und Opernhäuser, jeweils für Plätze in der Mitte
des Parketts, zwischen 12 und 25 ms, während bei schlechteren Sälen Werte bis zu
40 ms beobachtet werden. Eine kurze Verzögerungszeit suggeriert beim Zuhörer den
Eindruck von „Intimität“, d. h. er glaubt, sich in einem geometrisch kleinen Raume
zu befinden. Dieser Parameter scheint vor allem für die Beurteilung von Opern-
häusern eine große Bedeutung zu besitzen (Hidaka, 2000).
Em ebenfalls wichtiger Parameter ist die Nachhallzeit eines Raumes. Darunter
versteht man diejenige Zeit, in welcher die Schallpegel nach Abschalten der Schall-
quelle um 60 dB abnehmen; dies entspricht einem Abfall des Schalldrucks auf den
tausendsten und der Energie auf den millionsten Teil. Da die Abnahme von Druck
und Energie nicht genau exponentiell erfolgen und da die anfängliche Abnahme
(über die ersten 10 oder 15 dB) subjektiv wichtiger als der spätere Abfall ist, wird
meist erstere gemessen und die dazu benötigte Zeit dann auf einen Abfall von 60 dB
extrapoliert. Wenn die derart bestimmten Nachhallzeiten für voll besetzte Konzert-
säle zwischen 1,6 und 2,1 s und für besetzte Opernhäuser zwischen 1,3 und 1,6 s
liegen, ist der Raum von diesem Gesichtspunkt her als optimal zu betrachten (Bera-
nek, 1996, Kuttruff, 2000). Während die Nachhallzeit in der älteren Literatur als der
bedeutendste raumakustische Parameter angesehen wurde, kommt ihr nach den
neueren Untersuchungen nicht mehr dieser dominante Einfluß zu.
Schließlich ist auch die Schalldiffusität als wichtige Größe zu nennen. Darun-
ter versteht man die Eigenschaft eines Raumes, Schallreflexionen zu erzeugen, wel-
che am Ort des Hörers zeitlich dicht aufeinanderfolgen und richtungsmäßig gleich-
verteilt sind. Subjektiv wirkt sich eine gute Drffüsität so aus, dass der Zuhörer den
Eindruck einer angenehmen „Patina“ des Hörereignisses bekommt. Erreicht werden
kann gute Schalldiffusität sowohl durch großflächige als auch durch detailliertere, in
jedem Falle jedoch möglichst unregelmäßige, Aufgliederung der Raumwände und
der Raumdecke.
Außer den erwähnten Parametern gibt es weitere Größen, die einen Einfluß
auf die subjektive Akustik von Sälen haben. Beispiele sind das Verhältnis der Energie
seitlicher Reflexionen zur Gesamtenergie aller Reflexionen oder die gute Vermi-
schung der an verschiedenen Orten der Bühne erzeugten Schallsignale. Dazu
gehören außerdem so selbstverständliche Dinge wie niedriger Geräuschpegel im
Raum, gute Dämmung von Außengeräuschen, Vermeidung störender Echos und
andere. Auch völlig nichtakustische Eigenschaften, wie z. B. architektonische Details,
Farbgebung oder Klima des Raumes haben einen indirekten Einfluss auf das akusti-
sche Empfinden.
Genauere Studien zeigen, dass die zahlreichen oben erwähnten Parameter
nicht unabhängig voneinander sind. So ist z.B. die Schallintensität in verschiedenen
Oktavbändern eng mit der Nachhallzeit verknüpft und die interaurale Korrelation
hängt stark vom Anteil seitlicher Reflexionen ab. Ob und inwieweit ein System von
orthogonalen, d. h. voneinander unabhängigen Einflussgrößen gefunden werden
kann, ist nach wie vor eine offene Frage. Ebenso ist eine genaue Gewichtung der
erwähnten Parameter zur Vorhersage der subjektiven Qualität eines Raumes nach
dem heutigen Stand der Erkenntnisse noch nicht möglich.
 
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