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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2002 — 2003

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I. Das Geschäftsjahr 2002
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Sitzung der Phil.-hist. Klasse am 7. Juni 2002
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Nörr, Knut Wolfgang: Wirtschaftliche Macht: ein Begriff, ergiebig für die Rechtsordnung?
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https://doi.org/10.11588/diglit.66351#0063
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74 | SITZUNGEN

Diskussion über die Macht, der Frage der Kausalität. Denn das irrtümliche Anti-
zipieren einer Absicht schließt die Kausalität der Macht des M für das Handeln des
W nicht aus. Kausalitätsfragen stellen indes ein fast unlösbares Problemfeld dar. Wenn
beispielsweise ein Unternehmen im Wettbewerb ausscheidet, wo liegen da die Kau-
salitäten? In der „Macht der Konsumenten“? Im Vorsprung des Wettbewerbers? In
den Schwächen des Unternehmens? Im günstigsten Fall kann man Sequenzen von
Kausalitäten ausmachen, häufiger noch sehen wir uns einem unentwirrbaren Knäu-
el von Kausalitäten gegenüber. Hier helfen nur radikale Schnitte. Die Rechtsordnung
legt normative Maßstäbe an und fasst nur wenige oder überhaupt nur eine Einheit
aus dem Kausalkomplex ins Auge. Andere lassen die Kausalität in anderen Konzep-
tionen aufgehen, wie es am Beispiel der Systemtheorie zu sehen ist.
Das Problem der Kausalität hat uns schon von der Welt des W zu der des M
geführt und somit zu den Fragen nach den Grundlagen der Macht und nach den
Mitteln ihrer Verwirklichung. Kataloge über mögliche Machtgrundlagen zu erstel-
len, ist wenig sinnvoll. Vielleicht kann man aber eine Unterscheidung zwischen dem
Ausstattungsvorsprung einerseits und seiner „Verzinsung“ andererseits treffen. Mit
Ausstattungsvorsprung sind zunächst die körperlichen und geistigen Gaben gemeint
nebst der sie fordernden Erziehung. Neben den persönlichen gehören aber auch die
materiellen Güter zum Ausstattungsvorsprung, also das durch Erbe und Schenkung
angesammelte Vermögen. Die Ungleichheiten der Ausstattung bilden die treibende
Kraft jeder zivilisatorischen Entwicklung, so dass sie als solche nicht zur Disposition
stehen. Aber aus den Folgen der Ausstattungsdifferenz ergeben sich Gerechtigkeit-
sprobleme, die nicht ohne weiteres hingenommen werden. Das sind dann die
Gerechtigkeitsthemen der Chancengleichheit im Bildungswesen, der Vermögensum-
verteilung durch Erbschafts- und Schenkungssteuer, usw.Vor allem aber ist dafür zu
sorgen, dass nicht die individuelle Ausstattungsungleichheit in eine systematisch-
funktionale umschlägt (etwa: Gliederung in Berufsstände, Staat der Philosophen,
Expertokratie, Plutokratie).
Andere Gerechtigkeitsfragen wirft die „Verzinsung“ des Ausstattungsvorsprungs
auf, weil die Höhe des Ertrags auch von den verschiedensten Faktoren des Umfelds
abhängt.
Mit Ausstattungsvorsprung und Verzinsung sind beileibe nicht alle Macht-
grundlagen genannt. So verleihen z.B. Information, Autorität und emotionale Bin-
dung ebenso Macht wie Institutionen oder die Rechtsordnung. Macht ist aber auch
im „Schwachen“, soweit er Koalitionen eingeht. Ebenso können die M ihre Macht
durch Verbindungen vermehren. Hier klingt der Aspekt der Quantifizierung von
Machtstellungen an.
Eine ganz andere Konstellation von Macht liegt vor, wenn sich die Macht des
M in einen Lernprozess des W verwandelt undW die Vorgabe des M internalisiert.
Eine solche Machtverwirklichung beruht regelmäßig auf dem Einsatz des Mittels der
Überzeugung, dem wohl wirkungsvollsten Instrument, das freilich nicht jedem
Machtträger gegeben ist. Der Überzeugung verwandt ist die Überredung. „Sanfte“
Formen der Machtverwirklichung sind beispielsweise Distanzierung und Tadel,
Anerkennung und Lob.
 
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