Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2014 — 2015

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2014
DOI Kapitel:
II. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Artikel:
Hauschild, Thomas: Geister. Warum wir sie immer wieder sehen müssen: Gesamtsitzung am 25. Januar 2014
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55654#0048
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
II. Wissenschaftliche Vorträge

A PRESENCE BEHIND
Stimulation o( the left
angular gyrus gave the
patient a Sensation of a
shadowy person lurking
behind.


OUT-OF-BODY
Stimulation of the right
angular gyrus resulted in
an out-of-body experience,
as il the patient were
floating from the ceiüng.
looking down at herseif.




Source: Dr Olaf Blanko

Graham Robens/Tbe New York Times

Versuchsanordnung zur Erzeugung der Wahrnehmung eines „zweiten Leibes“ im neurobiologischen Experiment,
Dr. Olaf Blanke, Lausanne.

verbunden. Eine Triebkraft, die religiöse Erfahrung hervorbringt, ist die körperlich
erfahrene oder extrem geistvoll gestaltete und kolportierte Erfindung des Überna-
türlichen, der wir bei der Analyse von Aussagen über Geister begegnen.
Ich schließe das Buch mit den erfolgreichen Versuchen heutiger Bewusstsein-
spsychologen und Neurobiologen, durch mechanische Reizung des Gehirns die
Erfahrung des eigenen Körpers bis hin zur Wahrnehmung der Belebtheit toter oder
imaginierter Körper zu steigern. Diese Experimentatoren scheinen sich in letzter
Zeit zunehmend der Tatsache bewusst zu werden, dass sie damit an eine sehr alte
Kette von Versuchsanordnungen zur Sichtung und sinnlichen Wahrnehmung von
Geistern anschließen. Manche Neurobiologen vermitteln bereits ihre Methoden
des lebensechten Erlebens von Nichtrealen an die Entwickler von Videospielen.
Neue Medien und alte Medien, Virtualität und Realität verschwimmen. Das legt
den Schluss nahe, dass die Zeiten, in denen das „Imaginäre“ der Geister völlig
vom ernsthaften Diskurs in den westlichen Gesellschaften ausgeschlossen war,
auch eines Tages zu Ende gehen könnte. Körperliche Realitäten, die hinter der
menschlichen Erzählung vom Übernatürlichen, vom Leben nach dem Tod oder
vom Leben der toten Dinge liegen, hätten sich dann wieder einmal durchgesetzt,
bis in die aufgeklärte Öffentlichkeit hinein. Dies aber legt nahe, dass die üblichen
Performanztheorien und politisch-soziologischer Theorien der Religion auch ru-
dimentäre körperliche Universalien in Kauf nehmen müssen, wenn sie die Realität
des Religiösen einigermaßen angemessen abbilden wollen.

48
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften