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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2014 — 2015

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C. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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II. Das WIN-Kolleg
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Sechster Forschungsschwerpunkt „Messen und Verstehen der Welt durch die Wissenschaft“
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4. Das menschliche Spiegelneuronensystem: Wie erfassen wir, was wir nicht messen können?
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https://doi.org/10.11588/diglit.55654#0251
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4. Das menschliche Spiegelneuronensystem (WIN-Programm)

Messverfahren zu berechnen und mit den tatsächlich gemessenen Werten zu ver-
gleichen. Mithilfe von statistischen Optimierungsverfahren können so die freien
Parameter des Modells an die experimentellen Daten angepasst werden. Damit
sind Aussagen über die Physiologie der Zellverbände möglich, da die Parameter
des Modells im direkten Zusammenhang zu biophysikalischen Eigenschaften wie
z. B. zellulären und synaptischen Leitfähigkeiten und Ruhepotentialen stehen.
Im Verlauf des Projekts soll eine multimodale Erfassung von Indikatoren der
Spiegelneuronenaktivität (Verhaltensmaße, fMRT und EEG) während Kernpro-
zessen sozialer Kognitionen (Imitation emotionaler Gesichtsausdrücke, Empathie,
Emotionserkennung und Theory of Mind) mit der Erfassung von Einflussfakto-
ren auf Spiegelneuronenaktivität (Deaktivierung von Hirnarealen mit transkranialer
Magnetstimulation (TMS) sowie Genotypisierung in Bezug auf das dopaminerge
und oxytocinerge Neurotransmittersystem) innerhalb desselben Probandenkollek-
tivs mit computational modelling kombiniert werden. Die Verbindung der verschiede-
nen Messmethoden ermöglicht es, sowohl von der hohen räumlichen Auflösung
des fMRT als auch der hohen zeitlichen Auflösung des EEG zu profitieren und so
der Aktivität der Spiegelneuronen, so nahe wie es mit nicht-invasiven Methoden
möglich ist, zu kommen. Auf Basis dieser Daten soll ein Modell des menschlichen
Spiegelneuronensystems entstehen, das eine bisher unerreichte Aussagekraft über
die physiologischen Eigenschaften und die zeitliche Dynamik der beteiligten Zell-
verbände ermöglicht. Die TMS-Manipulation und ihre beobachteten Auswirkun-
gen auf psychologische Indikatoren wie Fehlerrate und Reaktionszeit einerseits und
die fMRT- und EEG-Signale andererseits dienen dazu, den kausalen Zusammen-
hang zwischen dem Spiegelneuronensystem und Prozessen der sozialen Kognition
(Imitation emotionaler Gesichter, Empathie, Emotionserkennung und Theory of
Mind) zu untermauern. Im mathematischen Modell kann diese Manipulation durch
Abschalten eines Teils der Neuronen ebenfalls realisiert werden und erlaubt neben
der weiteren Validierung des Modells die Möglichkeit, die Auswirkung einer verän-
derten effektiven Konnektivität durch die TMS auf die Netzwerkdynamik im De-
tail zu studieren. Die Genotypisierung schließlich ermöglicht erstmals Rückschlüsse
auf die Rolle der Neurotransmitter Dopamin und Oxytocin auf die Funktion der
Spiegelneuronen. Da insbesondere die biophysikalische Wirkung von Dopamin gut
beschrieben ist, kommt den Netzwerksimulationen hier eine besondere Bedeutung
zu. Insgesamt ermöglicht die enge Verzahnung von Theorie und Experiment ein
vertieftes Verständnis des Spiegelneuronensystems, das durch einen rein experimen-
tellen Ansatz aufgrund der beschränkten Messbarkeit nicht möglich ist.
Im theoretischen Teil des Projekts wird derzeit ein globales, feuerraten-ba-
siertes Modell des Spiegelneuronensystems erstellt, dessen Netzwerkstruktur aus
einer statistischen Auswertung von fMRI-Daten (dynamic causal modeling') gewon-
nen werden wird. Dieses Modell erlaubt es, die Daten der bildgebenden Verfahren
mit den Vorhersagen eines bereits existierenden, detaillierten Netzwerkmodells zu

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