Antrittsrede von Bernd Grzeszick
nen föderalen Ordnung für Deutschland ließ mich aber nicht los. In Freiburg
hatte ich bei Thomas Würtenberger eine Seminararbeit über die preußischen
Reformbewegungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert geschrieben.
Gemeinsam im Gespräch mit ihm entstand dann der Gedanke, eben für diese
Zeit der Frage nach föderalen Kontinuitäten und Diskontinuitäten in Deutsch-
land nachzugehen.
Die mit einer solchen Themenstellung verbundenen grundsätzlichen Fra-
gen waren und sind weiterhin für mich faszinierend. Recht hat zwar gegenüber
anderen gesellschaftlichen Systemen und Institutionen einen deutlichen Selbst-
and: Es ist gesetzt; es hat einen normativen Anspruch; und seine Beachtung und
Durchsetzung stützt sich zumindest auch auf das Monopol des modernen Staates
zur Legitimierung physischen Zwangs. Der Selbstand des Rechts ist allerdings ein
relativer, denn Inhalt und Wirkungsweise des Rechts sind in erheblichen Teilen
nicht nur kontingent, sondern auch kontextbedingt. Verkennt das Recht seinen
Kontext und verfehlt es deshalb die ihm zugedachten Ziele, kann - ab einem
gewissen Punkt - der normative Anspruch des Rechts auf Befolgung der Regeln
verloren gehen. Die Beschäftigung mit der historischen Entwicklung von Ver-
fassungsrecht als eine Rechtsvergleichung in der Zeit kann dabei in besonderer
Wiese den Blick für die nicht-juristischen Voraussetzungen und Bedingungen des
Rechts schärfen.
Vor diesem Hintergrund versucht meine Dissertation mit dem Titel „Vom
Reich zur Bundesstaatsidee. Zur Herausbildung der Föderalismusidee im moder-
nen deutschen Staatsrecht“ aufzuzeigen, dass trotz der ganz erheblichen ideenge-
schichtlichen, politischen und rechtlichen Zäsuren der betrachteten Zeitenwende
der Grundgedanke einer föderalen Ordnung und Einbindung der deutschen Ge-
biete eine erstaunliche Kontinuität aufwies - und weiterhin aufweist.
In der Promotionszeit begann zudem eine weitere, allerdings rein persönliche
Kontinuität: Ich lernte meine spätere Frau kennen.
Den Abschluss der wesentlichen Arbeiten an der Dissertation betrachtete ich
allerdings als Zäsur. Denn an eine weitere wissenschaftliche Tätigkeit dachte ich
trotz verschiedener Anspielungen meines Doktorvaters nicht. Vielmehr strebte ich
auf Dauer eine Tätigkeit in der - möglichst internationalen - Praxis des Rechts an.
Es folgte der Weg ins Ausland: Ein einjähriges Graduiertenstudium des Common
Law in Cambridge, gefolgt von einer dreimonatigen Tätigkeit in einer Londoner
Citykanzlei.
Dieses sehr intensive Jahr hat mich fachlich dem Common Law näher ge-
bracht und von einer internationalen Anwaltstätigkeit entfernt. Zudem hat dieses
Jahr die Haltung mitgeprägt, in beruflichen Dingen zunächst weniger nach de-
ren konkrete Machbarkeit zu fragen, sondern eher der Neigung zu folgen. Diese
Einstellung überstand das folgende Referendariat beim Kammergericht in Ber-
lin dank anregender Stationen in Paris und New York unbeschädigt und führte
323
nen föderalen Ordnung für Deutschland ließ mich aber nicht los. In Freiburg
hatte ich bei Thomas Würtenberger eine Seminararbeit über die preußischen
Reformbewegungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert geschrieben.
Gemeinsam im Gespräch mit ihm entstand dann der Gedanke, eben für diese
Zeit der Frage nach föderalen Kontinuitäten und Diskontinuitäten in Deutsch-
land nachzugehen.
Die mit einer solchen Themenstellung verbundenen grundsätzlichen Fra-
gen waren und sind weiterhin für mich faszinierend. Recht hat zwar gegenüber
anderen gesellschaftlichen Systemen und Institutionen einen deutlichen Selbst-
and: Es ist gesetzt; es hat einen normativen Anspruch; und seine Beachtung und
Durchsetzung stützt sich zumindest auch auf das Monopol des modernen Staates
zur Legitimierung physischen Zwangs. Der Selbstand des Rechts ist allerdings ein
relativer, denn Inhalt und Wirkungsweise des Rechts sind in erheblichen Teilen
nicht nur kontingent, sondern auch kontextbedingt. Verkennt das Recht seinen
Kontext und verfehlt es deshalb die ihm zugedachten Ziele, kann - ab einem
gewissen Punkt - der normative Anspruch des Rechts auf Befolgung der Regeln
verloren gehen. Die Beschäftigung mit der historischen Entwicklung von Ver-
fassungsrecht als eine Rechtsvergleichung in der Zeit kann dabei in besonderer
Wiese den Blick für die nicht-juristischen Voraussetzungen und Bedingungen des
Rechts schärfen.
Vor diesem Hintergrund versucht meine Dissertation mit dem Titel „Vom
Reich zur Bundesstaatsidee. Zur Herausbildung der Föderalismusidee im moder-
nen deutschen Staatsrecht“ aufzuzeigen, dass trotz der ganz erheblichen ideenge-
schichtlichen, politischen und rechtlichen Zäsuren der betrachteten Zeitenwende
der Grundgedanke einer föderalen Ordnung und Einbindung der deutschen Ge-
biete eine erstaunliche Kontinuität aufwies - und weiterhin aufweist.
In der Promotionszeit begann zudem eine weitere, allerdings rein persönliche
Kontinuität: Ich lernte meine spätere Frau kennen.
Den Abschluss der wesentlichen Arbeiten an der Dissertation betrachtete ich
allerdings als Zäsur. Denn an eine weitere wissenschaftliche Tätigkeit dachte ich
trotz verschiedener Anspielungen meines Doktorvaters nicht. Vielmehr strebte ich
auf Dauer eine Tätigkeit in der - möglichst internationalen - Praxis des Rechts an.
Es folgte der Weg ins Ausland: Ein einjähriges Graduiertenstudium des Common
Law in Cambridge, gefolgt von einer dreimonatigen Tätigkeit in einer Londoner
Citykanzlei.
Dieses sehr intensive Jahr hat mich fachlich dem Common Law näher ge-
bracht und von einer internationalen Anwaltstätigkeit entfernt. Zudem hat dieses
Jahr die Haltung mitgeprägt, in beruflichen Dingen zunächst weniger nach de-
ren konkrete Machbarkeit zu fragen, sondern eher der Neigung zu folgen. Diese
Einstellung überstand das folgende Referendariat beim Kammergericht in Ber-
lin dank anregender Stationen in Paris und New York unbeschädigt und führte
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