Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2014 — 2015

DOI Kapitel:
D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe, Mitglieder
DOI Kapitel:
II. Nachrufe
DOI Artikel:
Raible, Wolfgang: Peter Koch (1.3.1951 – 7.7.2014)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55654#0346
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe, Mitglieder

Vor diesem Hintergrund lässt sich Kochs wissenschaftliche Tätigkeit vor-
nehmlich durch vier Schwerpunkte charakterisieren. Da ist zunächst die durch
Brigitte Schlieben-Lange vermittelte sprachwissenschaftliche Pragmatik. Sprache
ist ja nichts Abstraktes, sie wird in bestimmten Kontexten und mit bestimmten
Absichten veiwendet. Dafür gibt es spezifische Kommunikationsformen, die als
so genannte Diskurstraditionen meist in einer langen historischen Filiation stehen.
In seiner Freiburger Habilitationsschrift zeigte Koch am Beispiel der Mitte des
13. Jh.s in Bologna entstandenen Rede- und Briefmodelle von Guido Fava nicht
nur, dass die Existenz dieser Modelle der Veränderung der Lebenswelt Oberita-
liens mit den Stadtkommunen (auch l’etä communale genannt) und ihren neuen
Kommunikationsbedürfnissen geschuldet ist. Er zeigte insbesondere, dass diese
Texte einem Modell, also einer solchen Diskurstradition, folgen, die in diesem
Fall auf die nach-justinianische Urkunde zurückgeht. Das bedeutet aber auch, dass
man in der Sprachgeschichte schauen muss, in welchen Diskurstraditionen welche
Erscheinungen vorkommen. In den Briefmodellen Favas etwa sieht man genau,
wo die italienische Vulgärsprache mangels eigener (in der Regel syntaktischer)
Mittel noch auf das Lateinische angewiesen war1.
Die Pragmatik führte Koch zu einer zweiten Entwicklung: Die Situation, in
der wir kommunizieren, hat auch damit zu tun, ob wir sprechen oder schreiben.
Der Freiburger Sonderforschungsbereich „Übergänge und Spannungsfelder zwi-
schen Mündlichkeit und Schriftlichkeit“ wurde entscheidend geprägt durch ei-
nen Ansatz, den Peter Koch und Wulf Oesterreicher gemeinsam entwickelten: Die
Unterscheidung zwischen „medialer“ und „konzeptioneller“ Schriftlichkeit in ei-
nem berühmt gewordenen Aufsatz mit dem Tiel „Sprache der Nähe - Sprache der
Distanz“ (1985)2. Kommunikative Gattungen stehen auf einer Skala zwischen zwei
Extremen. Am Pol der „Sprache der Nähe“ stünde etwa Smalltalk. Zur „Sprache
der Distanz“ zählt beispielsweise das Urteil in einem Prozess. Es ist konzeptionell
schriftlich, auch wenn es bei der Verkündung medial mündlich realisiert werden
mag. Je institutioneller die Kommunikationssituation wird, desto größer werden
gleichzeitig die Anforderungen an die Sprache (und an die Rezipienten). In der
Anwendung auf verschiedene romanische Sprachen entstand hier mit Gesprochene
Sprache in der Romania: Französisch, Italienisch, Spanisch ein weiteres - gemeinsames
- Werk von Koch und Oesterreicher3.

1 Distanz im Dictamen. Zur Schriftlichkeit und Pragmatik mittelalterlicher Brief- und Redemodelle in Ita-
lien. Habilitationsschrift, Freiburg 1987.
2 „Sprache der Nähe - Sprache der Distanz. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Spannungs-
feld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte“, in: Romanistisches Jahrbuch 36 (1985 [1986]),
15-43. [Ins Englische und Portugiesische übersetzt.]
3 Gesprochene Sprache in der Romania: Französisch, Italienisch, Spanisch. Tübingen: Niemeyer 1990,
22011. (Romanistische Arbeitshefte, 31). Spanisch 2007.

348
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften