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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2014 — 2015

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D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe, Mitglieder
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II. Nachrufe
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Raible, Wolfgang: Peter Koch (1.3.1951 – 7.7.2014)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55654#0347
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Nachruf auf Peter Koch

Das Interesse für die Pragmatik mit seinen beiden Ausprägungen ruht auf
einem Fundament, das sich erstmals in Kochs Freiburger Dissertation manifes-
tierte: Unter dem Titel Verb - Valenz - Verfügung galt sie einem Grundproblem der
Allgemeinen Sprachwissenschaft. Am Beispiel der französischen Verfügungsver-
ben (alles, was mit „geben“ und „nehmen“ zu tun hat) behandelt sie das Problem,
Aktantenrollen in vernünftiger Weise zu fassen. Sind sie ganz abstrakt (Agens, Pa-
tiens, Ziel...) oder etwa konkreter zu fassen? Kochs origineller Vorschlag, Aktan-
tenrollen beim Verb je nach Ausprägung des Verb-Inhalts verschieden spezifisch zu
interpretieren, fand sofort Zustimmung in der Fachwelt4.
Koch gehörte zu den Sprachwissenschaftlern, die nicht nur über eine selbst-
verständlich sehr gute Kenntnis vieler romanischen Sprachen verfügten. Er hatte
zugleich ein starkes Sensorium für allgemeinere Aspekte der Sprachtypologie, der
kognitiven Linguistik und der Universalienforschung. Besonders interessierten
ihn hier, und das ist der vierte seiner Schwerpunkte, die kognitiven Aspekte des
Lexikons und des Sprachwandels im Bereich der Wortzeichen, bestens zu illust-
rieren am Übergang vom Latein zu den romanischen Sprachen: In diesen Zusam-
menhang gehören Arbeiten zur „Lexikalische(n) Motivation im Französischen,
Italienischen und Deutschen“ ebenso wie ein in Zusammenarbeit mit Paul Gue-
vaudan realisiertes Dictionnaire Etymologique et Cognitif des Langues Romanes (DECO-
LAR), in dem es um die Herkunft der Bezeichnungen für Körperteile und deren
Bedeutungswandel in 14 romanischen Sprachen oder Dialekten geht. Der eigene
Körper ist ja, wie die Sprachwissenschaftler wissen, ein bevorzugtes Referenzsys-
tem für die Orientierung in der Umwelt.
Ein Meilenstein war auch die von Koch angeregte und betreute Habilitati-
onsschrift des früh verstorbenen Schülers Andreas Blank Prinzipien des lexikalischen
Bedeutungswandels am Beispiel der romanischen Sprachen (1997). Koch und Blank se-
hen Sprachwandel immer vor allem vor einem kognitiven Hintergrund, der sich
u. a. aus einem neuen Zeichenmodell und allgemeinen Prinzipien der Phänome-
nologie herleitet. Gerade auf dem Sektor der Grammatikalisierung und des Be-
deutungswandels vor einem kognitiven Hintergrund haben viele der zahlreichen
Schülerinnen und Schüler Kochs weiter gearbeitet.
Koch war ein vorzüglicher, stets völlig nüchtern und sachlich argumentie-
render Diskussionspartner. Gerade dieses mit einer unglaublichen Professionalität
gepaarte unprätentiöse Auftreten haben Koch in ganz Europa zu einem gesuch-
ten Gesprächs- und Forschungspartner gemacht. Davon zeugen nicht zuletzt die
150 Kolleginnen und Kollegen aus Italien, Spanien, England, Frankreich, Belgien,
Dänemark, der Schweiz und Deutschland, die ihrer Betroffenheit auf einer To-

4 Verb - Valenz - Verfügung. Zur Satzsemantik und Valenz französischer Verben am Beispiel der Verfü-
gungs-Verben, Heidelberg: Winter 1981 (Reihe Siegen, 32).

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