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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2014 — 2015

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D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe, Mitglieder
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II. Nachrufe
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Wolgast, Eike: Dieter Mertens (9.1.1940 – 4.10.2014)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55654#0359
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Nachruf auf Dieter Mertens

legenheitsdrucks mit Gedichten verschiedener Späthumanisten „von Schede bis
Zincgref“, in der Mertens mit großer Sorgfalt Namen den Texten zuordnete und
diese Namen mit realen Personen verband, um auf diesem Wege Beziehungsnetze
zu rekonstruieren (1974). „Zincgref und das Problem des Späthumanismus“ be-
schäftigte ihn auch in einer eigenen Studie (2002).
Die auf den südwestdeutschen Raum fokussierten Arbeiten beziehen zwar
fast immer den überregionalen Kontext ein, Herr Mertens hat jedoch auch allge-
meinhistorische Themen behandelt, wie Aufsätze über „Christen und Juden zur
Zeit des ersten Kreuzzugs“ (1981) oder „Europäischer Friede und Türkenkrieg im
Spätmittelalter“ (1991) zeigen. In dem Aufsatz „Nation als Teilhabeverheißung:
Reformation und Bauernkrieg“ (2000) untersucht er in gedrängter Kürze die Ent-
wicklung des Nationskonzepts und greift dabei bis in die Anfänge Maximilians I.
zurück. Mertens stellt fest, dass sich bei den deutschen Autoren des 15./16. Jahr-
hunderts zwei Nationskonzepte herausbildeten, die er als den „historisch-mytho-
graphischen“ und den „reformerisch-biblizistischen“ Typus unterscheidet. „Das
Bekenntnis zur Nation ist der Modus der Aneignung ihres symbolischen Kapitals.
Doch das Bekenntnis zur Reformierung der kirchlichen oder der gesellschaftli-
chen Ordnung, das wesentlich mit der Bibel argumentiert, bedient sich der Nation
als eines Forums, benutzt sie als eine vorhandene und weiter zu formende poli-
tische und linguistische Institution, ohne dass diese aber das eigentliche Ziel der
Reformen wäre. Die Teilhabeverheißung gilt der gerechten Ordnung und sucht zu
ihrer Verwirklichung den Weg über die Nation, die ihrerseits dadurch nur mittel-
bar Teilhabe verheißt.“ Aspekte spätmittelalterlicher Kirchen- und Klosterreform
fanden gleichfalls das Forschungsinteresse von Herrn Mertens, so „Klosterreform
als Kommunikationsereignis“ (2001), „Reformkonzilien und Ordensreform im
15. Jahrhundert“ (1989) und - besonders eindrücklich - „Monastische Reform-
bewegungen des 15. Jahrhunderts: Ideen - Ziele - Resultate“ (1996). Seine Fähig-
keit, große Stoffmassen zu bewältigen, übersichtlich zu gliedern und anschaulich
darzustellen, bewährte er - außer im Handbuch der Baden-Württembergischen
Geschichte -, als er im Rahmen eines Sammelbandes zur Geschichte der politi-
schen Ideen in einem umfangreichen Beitrag die „Geschichte der politischen Ide-
en im Mittelalter“ behandelte (1981).
Das hohe wissenschaftliche Ansehen, dessen sich Herr Mertens erfreute,
wurde öffentlich dokumentiert, als ihn der baden-württembergische Minister für
Wissenschaft, Forschung und Kunst Ende 2006 zum Mitglied einer sechsköpfigen
Expertenkommission berief, deren Aufgabe es war, im so genannten Badischen
Handschriften- oder Kulturgüterstreit zwischen dem Land Baden-Württemberg
und dem Haus Baden eine Klärung der Besitzverhältnisse herbeizuführen. Schon
vorher hatte Mertens öffentlich den Nachweis geführt, dass ein Gemälde, das die
Landesregierung bereits als Eigentum der ehemaligen Dynastie anerkannt hatte,
nicht dem Haus Baden, sondern seit 1930 dem Land gehörte. Mertens entzog sich

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