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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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III. Veranstaltungen
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Verleihung des Karl-Jaspers-Preises 2017 an das Ehepaar Jan und Aleida Assmann
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Kaegi, Dominic: Dialogischer Erkenntnisgewinn: zur Verleihung des Karl-Jaspers-Preises an Aleida und Jan Assmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0115
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Verleihung des Karl-Jaspers-Preises 2017 an Jan und Aleida Assmann

tet haben.“. Sich dem Abnutzungskampf der Parolen stellen und zugleich auf die
verbindende (und verbindliche) Kraft einer anderen, literarischen Gegen-Öffent-
lichkeit zu vertrauen, charakterisiert das Ethos der humanitas in Jaspers’ philoso-
phischem Glauben an Kommunikation.
Mit Arendt zeichnete Aleida Assmann die Konturen dieser Öffentlichkeit
nach, historisch vermittelt vor allem durch den open access - wohlgemerkt: zum
gedruckten Buch. Durch das Buch entsteht die Öffentlichkeit eines frei zugänglichen
Geisterreichs, in dem man seine Gesprächspartner (und -gegner) unabhängig von
Autorität und Tradition wählen, zeitliche Ferne in Gegenwart verwandeln kann.
Diese Verfügbarkeit der Geister erscheint im Universalmedium des Internets noch
einmal potenziert. Aber das Internet schafft keine qualifizierte Öffentlichkeit, „es
bietet keine Vision einer besseren Welt, sondern ist ein drastischer Spiegel der Welt
wie sie ist und wie sie sich rapide verändert mit all ihren Idealen, Ideen, Chancen,
Fehlern und Gefahren. Öffentlichkeit, das wird dabei klar, ist nicht das Produkt
eines neuen Mediums, sondern das Resultat fortgesetzter menschlicher Anstren-
gungen. Dafür lohnt es sich, ab und zu Maß zu nehmen an Arendts Geisterreich
und Jaspers’ humanitas als Modell eines öffentlichen Raums, »in dem durch das
Chaos die Wahrheit sich hervortreibt«.“
Dialogischer Erkenntnisgewinn
Dass Erkenntnis aus dem Zusammenleben, aus der Permanenz des Gesprächs
entspringt, ist ein alter platonischer Topos - und eigentlich das Gründungsmotiv
aller Akademien. Die Zuspitzung („Reduktion“ wäre hier nicht das richtige Wort)
auf zwei Lebens- und Denkpartner, auf ein „Forscherpaar“, bedeutet dagegen im-
mer noch eine Ausnahme, mit der sich der universitäre Betrieb schwer tut. Es
geht ja nicht bloß um etablierte Arbeitsformen interdisziplinärer Projekte oder
Ko-Autorschaften, es geht grundsätzlich um den „dialogischen Charakter von Er-
kenntnisgewinn“, den das Preiskomitee sehr zu Recht - und erstmals explizit -
würdigt. Jaspers selbst hat stets hervorgehoben, sein CEuvre sei in eins das seiner
Lebenspartnerin - und damit eben nicht die eigene Leistung, sondern Ausdruck
eines gemeinsamen Philosophierens, welches „für beide zum Beruf wurde“. Im
Schriftsatz wird dies kaum deutlich, solange wir die Texte nicht als Protokolle
eines Symphilosophen lesen lernen. Wie fremd diese Perspektive sein mag, verrät
das Bedenken eines DFG-Gutachters, ob man sich bei dem Anteil von Gertrud
Jaspers denn noch sicher sein könne, den eigentlichen Jaspers zu edieren. Das
war in den 1980er Jahren. Vielleicht wird der Jaspers-Preis einmal umbenannt in
„Karl und Gertrud Jaspers-Preis“. Jaspers hätte die Eiweiterung gefallen. Nicht
zuletzt unter diesem Aspekt ist die Preisverleihung an Aleida und Jan Assmann
ein Glücksfall.
Dr. Dominic Kaegi

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