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Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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III. Veranstaltungen
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Verleihung des Karl-Jaspers-Preises 2017 an das Ehepaar Jan und Aleida Assmann
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Assmann, Jan: Das Kulturelle Gedächtnis zwischen Vergangenheit und Zukunft
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0120
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III. Veranstaltungen

bildet, und das als 5A zu zählen wäre, bleibt bei Jaspers seltsam unterbelichtet
bzw. ganz ausgeblendet. Es wäre als Kanonisierung im kulturellen Gedächtnis zu
bezeichnen. Dass die alten Texte noch immer von uns gelesen, die damals entstan-
denen Religionen noch immer von uns gelebt werden, die damals entwickelten
Kategorien noch immer unserer Denken leiten, setzt ja ein ganzes Arsenal von
Überlieferungsmedien voraus, nicht nur Schrift, sondern auch Institutionen wie
Auslegungskultur, Kommentar, professionelle Exegeten, kurz: eine spezifische
Struktur und Organisation des Kulturellen Gedächtnisses. Hier stößt die Jaspers-
Sonde in Ägypten auf eine klare Fehlanzeige. Der alte Ägypter ist nicht der Mensch,
mit dem wir bis heute leben, die altägyptischen Texte sind nicht die Texte, die wir
bis heute (allenfalls heute wieder, aber das ist etwas völlig anderes) lesen. Das Alte
Ägypten ist das Paradebeispiel einer untergegangenen Kultur, weil die Schrift und
damit die Texte unlesbar wurden, und zwar wegen mangelnder Kanonisierung
auch über das Ende der pharaonischen Kultur hinaus. Schon im Alten Ägypten
selbst wurden die Texte zwar abgeschrieben, aber nicht kommentiert, geschweige
denn kanonisiert und in andere Sprachen übersetzt. Die staunenswerte Kontinui-
tät der altägyptischen Kultur, ihr kulturelles Gedächtnis beruhte weitestgehend auf
den Riten und brach ab mit der Christianisierung.
(6) Ein sechstes Kriterium, das Eric Voegelin in die Debatte warf, ist die Dif-
ferenzierung kompakter Begriffe bzw. die Einführung von Unterscheidungen in
Bereiche, wo vorher Zusammenhang, Kontinuität und Integration herrschte. Alle
Vorstellungen von Kontinuität und Zusammenhang basieren auf einem Analogie-
denken, das sich aus der zugrundeliegenden Homologie von Himmel und Erde
und der Vorstellung eines ontologischen Kontinuums von Diesseits und Jenseits
ergibt. Dieses Analogiedenken ist es, das in den kulturphilosophischen Diskur-
sen des 19. und 20. Jahrhunderts als das „mythisch-magische Weltbild“ bezeichnet
wird, dem die Achsenzeit ein Ende gemacht haben soll. Dieses Kriterium halte ich
für entscheidend und allen anderen übergeordnet.
Bei diesem Kriterium bleibt das Lämpchen in Ägypten ganz besonders dun-
kel. Hier bewegen wir uns eindeutig in der Welt der Nichtunterscheidung von Gott
und Welt, des ontologischen Kontinuums von Menschenwelt und Götterwelt, sowie
der Homologie von Himmel und Erde oder Makro- und Mikrokosmos. Aber diese
Begriffe genügen schon, um deutlich zu machen, dass dieses Denken mit der
achsenzeitlichen Wende in keiner Weise untergegangen ist. China scheint ja ein
klassisches Beispiel für die Homologie von Himmel und Erde. In Griechenland
bedeutet natürlich die Unterscheidung von Sein und Werden, Platons choris-
mos zwischen der Welt der Ideen und der Welt der Erscheinungen eine radikale
Trennung von Immanenz und Transzendenz. Ebenso radikal trennt die biblische
Schöpfungslehre zwischen Gott und Welt. Der Neuplatonismus zumindest des
17. und 18. Jhs. nimmt jedoch von dieser Trennung zurück und denkt die Welt
eher von innen entstanden und beseelt als von außen geschaffen. Das entspricht in

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