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Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2014 — 2015

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C. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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II. Das WIN-Kolleg
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Sechster Forschungsschwerpunkt „Messen und Verstehen der Welt durch die Wissenschaft“
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9. Texte messen – Messungen interpretieren. Altertumswissenschaften und Digital Humanities als zukunftsträchtige Symbiose
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https://doi.org/10.11588/diglit.55654#0268
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C. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses

9. Texte messen - Messungen interpretieren. Altertumswissen-
schaften und Digital Humanities als zukunftsträchtige Symbiose
Kollegiaten: Dr. Stylianos Chronopoulos1, Dr. Felix K. Maier2,
Dr. Anna Novokathko1
1 Seminar für Klassische Philologie, Universität Freiburg
2 Seminar für Alte Geschichte, Universität Freiburg
Die altertumswissenschaftlichen Disziplinen der Klassischen Philologie und der
Alten Geschichte befinden sich derzeit an einem neuralgischen Punkt: Immer
häufiger konstituieren sich Departments of Digital Humanities, die ausgehend von
der Digitalisierung der textlichen Grundlagen der Altertumswissenschaften eine
neue Herangehensweise bei der Interpretation der griechischen und römischen
Uberlieferungsträger forcieren und damit einen grundlegenden methodologi-
schen Umbruch einläuten: Verstärkt wird nun auf die rein computerbasierte Aus-
wertung von textartigen Quellen (literarischer, numismatischer, epigraphischer
Natur) aus der Antike gesetzt, so dass bisherige Interpretationsverfahren, die aus
der hermeneutischen Tradition entstanden, immer mehr in den Hintergrund ge-
drängt werden. Die computerbasierte Recherche von textartigen Quellen aus der
Antike konfrontiert die bisherigen Analyseverfahren jedoch mit einer spannenden
Herausforderung: ihre methodologischen Grundlagen und die Daten, die die In-
terpretationen stützen, erneut zu überlegen und zu überprüfen.
Diese neuen und erweiterten Möglichkeiten quantitativer Textanalyse bedeu-
ten allerdings nicht, dass Althistoriker oder Klassische Philologen zu messenden
und quantifizierenden Wissenschaftlern werden, für die die Datenbanken und die
mit ihnen verknüpften Analysekategorien die entscheidende Referenz ihrer For-
schung darstellen. Sie sind nach wie vor Subjekte, die aus den sozialen, kulturellen
und historischen Kontexten heraus Texte zu verstehen versuchen. Messungen und
quantifizierbare Zugänge können allerdings bestenfalls Tendenzen aufzeigen oder
Indizien liefern, keine Interpretation kann jedoch entstehen, ohne implizit oder
explizit Annahme über das Fehlende, das nicht Überlieferte und deswegen nicht
Messbare aufzustellen.
Die durch die Digitalisierung beinahe sämtlicher Corpora vorliegenden Da-
tensätze bringen ohne Zweifel eine allmählich sich einstellende methodologische
Veränderung mit sich, deren schleichende Auswirkungen bisher kaum oder noch
gar nicht in angemessenem Maße reflektiert wurden. Diese neue Konstellation
lässt es geradezu notwendig erscheinen, dass die Disziplinen der Alten Geschichte
und der Klassische Philologe, die beide auf die Interpretation textueller Quellen in
hohem Maße angewiesen sind, die Tragweite der aktuellen Entwicklung rechtzei-
tig erkennen, sich abzeichnende Veränderungen antizipieren, den daraus resultie-
renden Auswirkungen auf die über Jahrhunderte hinweg entwickelten Methoden

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