Karl- Jaspers-Preis
Gerhardts Versuch, den Menschen als Natur- und Kulturwesen zu begreifen, eine
zentrale Rolle. Dialogizität reicht nicht aus, um das Menschliche zu fassen; viel-
mehr ist umfassendere Sozialität das ihm Eigene. Im Begriff der Menschheit nun,
in dem wie bei Jaspers das Allverbindende zum Ausdruck kommt, ist bei Gerhardt
sowohl die Naturseite als auch die Kulturseite des Menschen abgedeckt, ihr ge-
meinsames biologisches Sein ebenso wie ihr gemeinsames soziales Handeln.16 Das
mündet in eine philosophische Anthropologie, die „die Einheit in der Verschie-
denheit der Selbstbegriffe“ kenntlich macht, „den Menschen als homo publicus“
begreift und zudem als „ein Wesen, das produktiv tätig ist und sich eine Welt er-
schafft, die ihm in der Sache etwas bedeutet“.17 Zu dieser Welt gehört mit Jaspers
wesentlich auch die Philosophie.
„Die umständlichsten Wege der Philosophie, die die Fachleute der Philoso-
phie gehen, haben doch ihren Sinn nur, wenn sie münden in das Menschsein, das
dadurch bestimmt ist, wie es des Seins und seiner selbst darin gewiß wird.“18 Auch
wer diesen Satz aus Jaspers’ Einführung gewunden findet, erschließt sich das Ge-
meinte wohl leicht wie folgt: Philosophie ist etwas, woran alle teilhaben können.
Philosophie ist vielleicht sogar das exemplarische Etwas, an dem alle sollten teilha-
ben können - weil es in der Philosophie um sie selbst, ihr Letztes und Eigentliches
geht. Wiederum in Jaspers’ Worten: Philosophie ist „Kommunikation von Mensch
zu Mensch durch jeden Sinn von Wahrheit in liebendem Kampfe wagen“.19 Wenn
Volker Gerhardt nun zu Beginn seines 2007 erschienenen Buches Partizipation. Das
Prinzip der Politik daran erinnert, dass nach dem Zweiten Weltkrieg ,,[d]as Selbst-
bewusstsein der Freiheit in die theoretischen Äußerungen“ zurückgekehrt
sei und dafür als Zeugen an erster Stelle Karl Jaspers nennt,20 ist das kein Zufall.
Denn Partizipation ist mitnichten nur „die tätige Teilnahme der Bürger an der po-
litischen Organisation“,21 vielmehr ist sie für Gerhardt die zwingende Folgerung
aus der dem Individuum auferlegten Selbstbestimmung.22 Gerhardt denkt Partizi-
pation viel umfassender als bloß philosophisch oder bloß politisch: Der Mensch
ist ein allseits teilhabenwollendes Wesen - ein Wesen, das nicht bei sich bleibt oder
jedenfalls nicht nur.
16 Vgl. Volker Gerhardt: Der Mensch wird geboren. Kleine Apologie der Humanität, München
2002. Zu den spezifischen Problemen im biopolitischen Rahmen siehe die Aufsatzsamm-
lung: Die angeborene Würde des Menschen (Berlin 2003).
17 Volker Gerhardt: Selbstbestimmung. Zur Bedingung einer Frage, die zugleich deren erste
Antwort ist, in: Detlev GantenAfolker Gerhardt/Jan-Christoph Heilinger/Julian Nida-Rü-
melin (Hrsg.): Was ist der Mensch?, Berlin/New York 2008, S. 1-10, hier S. 10.
18 Jaspers: Einführung, S. 10.
19 Ebd., S. 14.
20 Volker Gerhardt: Partizipation. Das Prinzip der Politik, München 2007, S. 9.
21 Volker Gerhardt: Demokratie als politische Form der Menschheit, in: Freiburger Universi-
tätsblätter 221 (2018), S. 31-43, S. 36.
22 Gerhardt: Partizipation, S. 24.
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Gerhardts Versuch, den Menschen als Natur- und Kulturwesen zu begreifen, eine
zentrale Rolle. Dialogizität reicht nicht aus, um das Menschliche zu fassen; viel-
mehr ist umfassendere Sozialität das ihm Eigene. Im Begriff der Menschheit nun,
in dem wie bei Jaspers das Allverbindende zum Ausdruck kommt, ist bei Gerhardt
sowohl die Naturseite als auch die Kulturseite des Menschen abgedeckt, ihr ge-
meinsames biologisches Sein ebenso wie ihr gemeinsames soziales Handeln.16 Das
mündet in eine philosophische Anthropologie, die „die Einheit in der Verschie-
denheit der Selbstbegriffe“ kenntlich macht, „den Menschen als homo publicus“
begreift und zudem als „ein Wesen, das produktiv tätig ist und sich eine Welt er-
schafft, die ihm in der Sache etwas bedeutet“.17 Zu dieser Welt gehört mit Jaspers
wesentlich auch die Philosophie.
„Die umständlichsten Wege der Philosophie, die die Fachleute der Philoso-
phie gehen, haben doch ihren Sinn nur, wenn sie münden in das Menschsein, das
dadurch bestimmt ist, wie es des Seins und seiner selbst darin gewiß wird.“18 Auch
wer diesen Satz aus Jaspers’ Einführung gewunden findet, erschließt sich das Ge-
meinte wohl leicht wie folgt: Philosophie ist etwas, woran alle teilhaben können.
Philosophie ist vielleicht sogar das exemplarische Etwas, an dem alle sollten teilha-
ben können - weil es in der Philosophie um sie selbst, ihr Letztes und Eigentliches
geht. Wiederum in Jaspers’ Worten: Philosophie ist „Kommunikation von Mensch
zu Mensch durch jeden Sinn von Wahrheit in liebendem Kampfe wagen“.19 Wenn
Volker Gerhardt nun zu Beginn seines 2007 erschienenen Buches Partizipation. Das
Prinzip der Politik daran erinnert, dass nach dem Zweiten Weltkrieg ,,[d]as Selbst-
bewusstsein der Freiheit in die theoretischen Äußerungen“ zurückgekehrt
sei und dafür als Zeugen an erster Stelle Karl Jaspers nennt,20 ist das kein Zufall.
Denn Partizipation ist mitnichten nur „die tätige Teilnahme der Bürger an der po-
litischen Organisation“,21 vielmehr ist sie für Gerhardt die zwingende Folgerung
aus der dem Individuum auferlegten Selbstbestimmung.22 Gerhardt denkt Partizi-
pation viel umfassender als bloß philosophisch oder bloß politisch: Der Mensch
ist ein allseits teilhabenwollendes Wesen - ein Wesen, das nicht bei sich bleibt oder
jedenfalls nicht nur.
16 Vgl. Volker Gerhardt: Der Mensch wird geboren. Kleine Apologie der Humanität, München
2002. Zu den spezifischen Problemen im biopolitischen Rahmen siehe die Aufsatzsamm-
lung: Die angeborene Würde des Menschen (Berlin 2003).
17 Volker Gerhardt: Selbstbestimmung. Zur Bedingung einer Frage, die zugleich deren erste
Antwort ist, in: Detlev GantenAfolker Gerhardt/Jan-Christoph Heilinger/Julian Nida-Rü-
melin (Hrsg.): Was ist der Mensch?, Berlin/New York 2008, S. 1-10, hier S. 10.
18 Jaspers: Einführung, S. 10.
19 Ebd., S. 14.
20 Volker Gerhardt: Partizipation. Das Prinzip der Politik, München 2007, S. 9.
21 Volker Gerhardt: Demokratie als politische Form der Menschheit, in: Freiburger Universi-
tätsblätter 221 (2018), S. 31-43, S. 36.
22 Gerhardt: Partizipation, S. 24.
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