Karl- Jaspers-Preis
vertrauen.“29 Der Glauben an ein Göttliches biete „die besten Gründe, sich mit al-
len Menschen im Anspruch auf eine gemeinsame Bewältigung ihres Daseins einig
zu sein. Das Bewusstsein dieser Verpflichtung wird im Begriff des menschlichen
Geistes bewahrt. Er ist eins mit dem Begriff der Humanität.“30 Grammatikalisch
bezieht sich das „Er“ im Schlusssatz des Buches auf den vorangehenden „mensch-
lichen Geist“ und den Begriff davon. Semantisch aber könnte auch der „Glauben“
gemeint sein. Denn eine zentrale These in Gerhardts neueren Schriften ist „ [d] ie
Angewiesenheit des Wissens auf den Glauben“.31
Womit wir beim höchsten und letzten Aussichtspunkt auf diesem von Karl
Jaspers begleiteten, kurzen Spaziergang durch Volker Gerhardts CEuvre angelangt
wären. Dieses CEuvre weiß sich dem von Jaspers formulierten Anspruch an das,
was Philosophie sein soll, verpflichtet: „Während wissenschaftliche Erkenntnisse
auf je einzelne Gegenstände gehen, [...] handelt es sich in der Philosophie um
das Ganze des Seins, das den Menschen als Menschen angeht, um Wahrheit, die,
wo sie aufleuchtet, tiefer ergreift als jede wissenschaftliche Erkenntnis.“32 Genau
zu diesem Sinn fürs „Ganze des Seins“ arbeitet sich Volker Gerhardt in seinem
Buch Der Sinn des Sinns von 2014 hin, im Untertitel als „Versuch über das Gött-
liche“ ausgewiesen.33 Mit diesem Werk betritt Gerhardt ohne Scheu das von Jas-
pers als „religionsphilosophische [m] Anreger“34 schon mutig beackerte Feld der
philosophischen, der rationalen Theologie, das auch Gerhardt keineswegs den
Fachtheologinnen und Fachtheologen überlassen will, um deren Philosophie-
und Rationalitätswilligkeit es ohnehin nicht immer zum besten bestellt ist. Dem
möglichen Widerspruch seitens der eigenen philosophischen Zunftgenossinnen
und -genossen sieht er mit Gelassenheit entgegen, wenn er nicht nur Kant als
Zeugen für „die Unverzichtbarkeit des Glaubens an Gott als den Einheitsgrund des
selbstbewussten menschlichen Handelns“35 aufruft, sondern diese Unverzichtbarkeit
nachdrücklich selbst behauptet.
Für Gerhardts ist dabei ein Argumentmuster bestimmend, das Jaspers gegen
die Verächter der Philosophie in Anschlag bringt: „Wer die Philosophie ablehnt,
vollzieht selber eine Philosophie, ohne sich dessen bewußt zu sein.“36 Das Ar-
gumentmuster, das man die metaphysische Generalimplikationsklausel nennen
könnte, besagt, dass auch in der Negation das Negierte schon impliziert ist. In
29 Ebd., S. 291.
30 Ebd., S. 292.
31 Volker Gerhardt: Glauben und Wissen. Ein notwendiger Zusammenhang, Stuttgart 2016, S.
12.
32 Jaspers: Einführung, S. 9.
33 Volker Gerhardt: Der Sinn des Sinns. Versuch über das Göttliche, München 2014
34 Gerhardt: Glauben und Wissen, S. 7.
35 Gerhardt: Der Sinn des Sinns, S. 173 (Hervorhebung im Original).
36 Jaspers: Einführung, S. 12.
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vertrauen.“29 Der Glauben an ein Göttliches biete „die besten Gründe, sich mit al-
len Menschen im Anspruch auf eine gemeinsame Bewältigung ihres Daseins einig
zu sein. Das Bewusstsein dieser Verpflichtung wird im Begriff des menschlichen
Geistes bewahrt. Er ist eins mit dem Begriff der Humanität.“30 Grammatikalisch
bezieht sich das „Er“ im Schlusssatz des Buches auf den vorangehenden „mensch-
lichen Geist“ und den Begriff davon. Semantisch aber könnte auch der „Glauben“
gemeint sein. Denn eine zentrale These in Gerhardts neueren Schriften ist „ [d] ie
Angewiesenheit des Wissens auf den Glauben“.31
Womit wir beim höchsten und letzten Aussichtspunkt auf diesem von Karl
Jaspers begleiteten, kurzen Spaziergang durch Volker Gerhardts CEuvre angelangt
wären. Dieses CEuvre weiß sich dem von Jaspers formulierten Anspruch an das,
was Philosophie sein soll, verpflichtet: „Während wissenschaftliche Erkenntnisse
auf je einzelne Gegenstände gehen, [...] handelt es sich in der Philosophie um
das Ganze des Seins, das den Menschen als Menschen angeht, um Wahrheit, die,
wo sie aufleuchtet, tiefer ergreift als jede wissenschaftliche Erkenntnis.“32 Genau
zu diesem Sinn fürs „Ganze des Seins“ arbeitet sich Volker Gerhardt in seinem
Buch Der Sinn des Sinns von 2014 hin, im Untertitel als „Versuch über das Gött-
liche“ ausgewiesen.33 Mit diesem Werk betritt Gerhardt ohne Scheu das von Jas-
pers als „religionsphilosophische [m] Anreger“34 schon mutig beackerte Feld der
philosophischen, der rationalen Theologie, das auch Gerhardt keineswegs den
Fachtheologinnen und Fachtheologen überlassen will, um deren Philosophie-
und Rationalitätswilligkeit es ohnehin nicht immer zum besten bestellt ist. Dem
möglichen Widerspruch seitens der eigenen philosophischen Zunftgenossinnen
und -genossen sieht er mit Gelassenheit entgegen, wenn er nicht nur Kant als
Zeugen für „die Unverzichtbarkeit des Glaubens an Gott als den Einheitsgrund des
selbstbewussten menschlichen Handelns“35 aufruft, sondern diese Unverzichtbarkeit
nachdrücklich selbst behauptet.
Für Gerhardts ist dabei ein Argumentmuster bestimmend, das Jaspers gegen
die Verächter der Philosophie in Anschlag bringt: „Wer die Philosophie ablehnt,
vollzieht selber eine Philosophie, ohne sich dessen bewußt zu sein.“36 Das Ar-
gumentmuster, das man die metaphysische Generalimplikationsklausel nennen
könnte, besagt, dass auch in der Negation das Negierte schon impliziert ist. In
29 Ebd., S. 291.
30 Ebd., S. 292.
31 Volker Gerhardt: Glauben und Wissen. Ein notwendiger Zusammenhang, Stuttgart 2016, S.
12.
32 Jaspers: Einführung, S. 9.
33 Volker Gerhardt: Der Sinn des Sinns. Versuch über das Göttliche, München 2014
34 Gerhardt: Glauben und Wissen, S. 7.
35 Gerhardt: Der Sinn des Sinns, S. 173 (Hervorhebung im Original).
36 Jaspers: Einführung, S. 12.
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