II. Wissenschaftliche Vorträge
nicht für die Arbeitsstunden. Die deutschen Besonderheiten von Kurzarbeit und
Minijobs könnten hier eine Rolle spielen. Im Jahr 2020 sind in Deutschland kaum
Jobs verloren gegangen. Stattdessen wurden viele Arbeitnehmer in (staatlich fi-
nanzierte) Kurzarbeit geschickt, haben also ihre Stunden reduziert. Kurzarbeit ist
jedoch im Fall von Mini-Jobs nicht möglich. Da insbesondere Frauen mit Migra-
tionshintergrund oft nur in Mini-Jobs arbeiten, ist es dann nicht erstaunlich, dass
sie überproportional häufig ihre Stellen verloren haben. Im Fall von Migrantinnen
spielen die Schulschließungen hingegen offenbar keine große Rolle. Es gibt einen
ähnlich großen Rückgang in der Erwerbstätigkeit von Frauen mit Kindern und
ohne Kinder (relativ zu Männern mit und ohne Kinder).
4. Konsequenzen
Macht es einen Unterschied für die Gesamtwirtschaft, ob von einer Rezession
eher Männer oder Frauen betroffen sind? Man könnte zunächst denken, dass es
keinen großen Unterschied macht, dass sozusagen nur das Vorzeichen umgedreht
ist. Das stimmt so aber nicht, aus verschiedenen Gründen. Das Arbeitsmarktver-
halten von Männern und Frauen ist qualitativ verschieden. Insbesondere ist das
Arbeitsangebot von Frauen elastischer (Blundell und MaCurdy 1999). Die höhere
Elastizität führt dazu, dass in normalen Rezessionen Frauen ihr Arbeitsangebot so-
gar oft ausweiten, um finanzielle Engpässe abzufedern. Dieser Versicherungseffekt
fehlt in der Pandemie, was die Rezession vertiefen kann. Die Tiefe einer Rezession
hängt nicht nur von der Größe des anfänglichen Schocks ab, sondern auch da-
von, wie sich dieser Schock innerhalb der Wirtschaft ausbreitet. Die Ausbreitung
hängt ihrerseits wiederum davon ab, inwieweit sich Einkommensschocks in der
Konsumnachfrage der Haushalte niederschlagen. Wenn der anfängliche Schock zu
einem starken Konsumrückgang führt, erleben weitere Sektoren der Wirtschaft
einen Nachfragerückgang, sodass sich der anfängliche Schock verstärkt und sich in
der gesamten Wirtschaft ausbreitet.
Die Übertragung von Einkommensschocks auf den Konsum kann man durch
die marginale Konsumneigung quantifizieren. Diese weist den Anteil eines zusätz-
lichen Euros an Einkommen aus, der konsumiert statt gespart würde. Wenn die
marginale Konsumneigung hoch ist, führt ein gegebener Einkommensverlust zu
einem großen Rückgang in der Konsumnachfrage, und die Schocks breiten sich
in der gesamten Wirtschaft aus (Guerrieri et al. 2020). In einer Studie, die ich ge-
meinsam mit Titan Alon, Matthias Doepke und Jane Olmstead-Rumsey verfasst
habe (Alon et al. 2020b), zeigen wir in einem quantitativen Modell, dass eine pan-
demische Rezession zu einem erheblichen und anhaltenden Anstieg der margina-
len Konsumneigung führt. Der Grund für die erhöhte marginale Konsumneigung
sind die reduzierten Absicherungsmöglichkeiten innerhalb von Familien.
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nicht für die Arbeitsstunden. Die deutschen Besonderheiten von Kurzarbeit und
Minijobs könnten hier eine Rolle spielen. Im Jahr 2020 sind in Deutschland kaum
Jobs verloren gegangen. Stattdessen wurden viele Arbeitnehmer in (staatlich fi-
nanzierte) Kurzarbeit geschickt, haben also ihre Stunden reduziert. Kurzarbeit ist
jedoch im Fall von Mini-Jobs nicht möglich. Da insbesondere Frauen mit Migra-
tionshintergrund oft nur in Mini-Jobs arbeiten, ist es dann nicht erstaunlich, dass
sie überproportional häufig ihre Stellen verloren haben. Im Fall von Migrantinnen
spielen die Schulschließungen hingegen offenbar keine große Rolle. Es gibt einen
ähnlich großen Rückgang in der Erwerbstätigkeit von Frauen mit Kindern und
ohne Kinder (relativ zu Männern mit und ohne Kinder).
4. Konsequenzen
Macht es einen Unterschied für die Gesamtwirtschaft, ob von einer Rezession
eher Männer oder Frauen betroffen sind? Man könnte zunächst denken, dass es
keinen großen Unterschied macht, dass sozusagen nur das Vorzeichen umgedreht
ist. Das stimmt so aber nicht, aus verschiedenen Gründen. Das Arbeitsmarktver-
halten von Männern und Frauen ist qualitativ verschieden. Insbesondere ist das
Arbeitsangebot von Frauen elastischer (Blundell und MaCurdy 1999). Die höhere
Elastizität führt dazu, dass in normalen Rezessionen Frauen ihr Arbeitsangebot so-
gar oft ausweiten, um finanzielle Engpässe abzufedern. Dieser Versicherungseffekt
fehlt in der Pandemie, was die Rezession vertiefen kann. Die Tiefe einer Rezession
hängt nicht nur von der Größe des anfänglichen Schocks ab, sondern auch da-
von, wie sich dieser Schock innerhalb der Wirtschaft ausbreitet. Die Ausbreitung
hängt ihrerseits wiederum davon ab, inwieweit sich Einkommensschocks in der
Konsumnachfrage der Haushalte niederschlagen. Wenn der anfängliche Schock zu
einem starken Konsumrückgang führt, erleben weitere Sektoren der Wirtschaft
einen Nachfragerückgang, sodass sich der anfängliche Schock verstärkt und sich in
der gesamten Wirtschaft ausbreitet.
Die Übertragung von Einkommensschocks auf den Konsum kann man durch
die marginale Konsumneigung quantifizieren. Diese weist den Anteil eines zusätz-
lichen Euros an Einkommen aus, der konsumiert statt gespart würde. Wenn die
marginale Konsumneigung hoch ist, führt ein gegebener Einkommensverlust zu
einem großen Rückgang in der Konsumnachfrage, und die Schocks breiten sich
in der gesamten Wirtschaft aus (Guerrieri et al. 2020). In einer Studie, die ich ge-
meinsam mit Titan Alon, Matthias Doepke und Jane Olmstead-Rumsey verfasst
habe (Alon et al. 2020b), zeigen wir in einem quantitativen Modell, dass eine pan-
demische Rezession zu einem erheblichen und anhaltenden Anstieg der margina-
len Konsumneigung führt. Der Grund für die erhöhte marginale Konsumneigung
sind die reduzierten Absicherungsmöglichkeiten innerhalb von Familien.
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