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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2022 — 2023

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A. Das akademische Jahr 2022
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III. Veranstaltungen
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Verleihung des Reuchlinpreises 2022 an die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur
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Amirpur, Katajun: Dankesrede
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https://doi.org/10.11588/diglit.67410#0132
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III. Veranstaltungen

für diesen Preis, der in seinen Schriften dem Hassprediger das Prinzip von Respekt
und Dialog entgegensetzt und den religiös anderen akzeptiert.
Reuchlin würdigt, wenn er sich gelegentlich zum Islam äußert, Vielfalt nicht
als Bedrohung, sondern als Bereicherung. So stellt er in seinem Hauptwerk „Die
Kunst der Kabbala“ aus dem Jahre 1517 einen der Gesprächspartner als „Mann der
Vielfalt“, als einen „Verehrer der Araber“ und als einen Menschen dar, der meh-
rere kulturelle Herkünftc in sich vereint. Sein Marranus sagt: „Ich bin ja immer
den Arabern mit größter Verehrung begegnet, Gazali, Farabi, Abukaten, Ah, Ab-
umaron, Ibn Sina, den die Lateiner Avicenna, und Ibn Ruschd, den sie Averroes
nennen, und all den anderen Peripatetikern ihrer Art. Dabei war es zu meiner
Zeit noch nie jemandem versagt, sich in Konstantinopel jede Art von Philosophie
fast aller einzelnen Sprachen und Schulen anzueignen, weil Dozenten der unter-
schiedlichsten Völker dort täglich öffentlich lehrten.“ (S. 41)
Und Johannes Reuchlin spricht die Gemeinsamkeiten im Glauben der An-
hänger der abrahamischen Religionen an, wenn er seinen Philolaus sagen lässt:
„Denn wer weiß nicht, dass die Hebräer, die Christen und die Agarener (d. h. Mus-
lime) mit tiefster Überzeugung daran glauben, dass man ein gemeißeltes Bild nicht
anbeten dürfe?“ Womit er dann zu dem Ergebnis kommt: „Das Heil aller Men-
schen haben wir also allein durch das Erbarmen Gottes zu erwarten.“ (S. 151)
Diese Aussage vor allem hätte mich zu meinem eigentlich geplanten Haupt-
thema geleitet, nämlich den Ansätzen für eine pluralistische Theologie aus is-
lamischer Perspektive; eine Theologie also, die auch Menschen eines anderen
Glaubens, Heil und Erlösung verspricht. Denn wir finden zwar in der islamischen
Theologie natürlich Ansätze für Exklusivismus. Die finden wir ja in allen Theo-
logien; es gibt ja durchaus auch eine christliche Theologie, die sagt: der Weg zur
Erlösung führt nur durch mich, also Jesus, allein. Ebenso finden wir im Islam die
Haltung, dass natürlich nur Muslime in den Himmel kommen. Aber wir finden
im Koran auch diesen Vers: Wir haben euch zu Völkern und Stämmen gemacht,
auf dass ihr einander kennenlernt.
Einer, der diese Koranstelle so verstanden hat, als habe Gott die Pluralität
schon angelegt, sie ist sein Werk und von ihm gewünscht, ist Rumi. Maulana
Dschelaleddin, der im Jahre 1273 im türkischen Konya starb, gilt in Iran und eben-
so in der Türkei als einer der allerwichtigsten Bezugspunkte und Autoritäten. Sein
Hauptwerk, das Mathnavi, ist, so wird oft gesagt, der Koran in persischer Sprache.
Das ist etwas ketzerisch ausgedrückt. Etwas weniger ketzerisch formuliert, ist das
Mathnavi ein Korankommentar, ein mystischer. Man könnte so weit gehen zu be-
haupten, es sei für die Iraner, aber auch für viele Türken der wichtigste Korankom-
mentar schlechthin. Fakt ist: Es ist sicherlich das bekannteste Werk Rumis, was
auch an den zahlreichen Vertonungen durch persische Musiker liegt. Mohammad
Reza Shajarian, der bekannteste klassische Sänger Irans, vertonte überwiegend sei-
ne Texte.

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