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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2022 — 2023

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A. Das akademische Jahr 2022
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III. Veranstaltungen
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Verleihung des Reuchlinpreises 2022 an die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur
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Amirpur, Katajun: Dankesrede
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https://doi.org/10.11588/diglit.67410#0134
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III. Veranstaltungen

der beste Weg zu sein, den Hasspredigern zu begegnen, wie Johannes Rcuchlin
sie benennt, die auf die Idee kommen, die Bücher der anderen zu verbrennen.
Denn ich glaube, wir sind heute alle so religiös divers geprägte Menschen
wie Johannes Reuchlin seinen Marranus in „Die Kunst der Kabbala“ beschreibt und
somit ist auch die intensive Beschäftigung mit den Bekenntnissen des - wie man
ihn und sie so schön nennt - religious other, dem religiös anderen, vonnöten. Es
ist geboten - gerade auch in einer so religiös diversen Stadt wie Pforzheim - zu
wissen, was der andere glaubt. Dann kann man mit ihm in einen Dialog treten.
Und ich will Sie natürlich nicht überreden, den Religionsunterricht für alle,
den Rufa, einzuführen. Aber ich muss schon sagen, dass mich die Idee immer
begeistert hat. Einfach weil es toll ist zu sehen, wie Kinder dann miteinander um-
gehen. Und wie sie Probleme ganz einfach lösen, die die Theologie vor eine im-
mense Argumentationsakrobatik stellen.
Lassen Sie mich Ihnen eine Situation schildern. Denn wir haben diesen Re-
ligionsunterricht für alle, den Rufa, natürlich auch durch empirische Forschung
begleitet. Eine meiner Kolleginnen hat zum Beispiel eine Klasse aufgesucht und
die dort Teilnehmenden befragt. So fragte sie zum Beispiel den Mohammed: „Du
lernst doch in der Moschee, dass nur Muslime in den Himmel kommen, oder?“
Mohammed: „Ja, klar. Ist so.“
Dörthe: „Aber was ist dann mit Deinem Buddy Christian?“
Mohammed: „Oh, na den ziehe ich dann noch schnell mit rein.“
Sehen Sie, das meine ich. So lösen Kinder in der Praxis Probleme, an denen
Theologen schier verzweifeln. Kinder können Dialog. Automatisch. Quasi ange-
boren.
Und so ebnet die Realität der Theologie den Weg. Apropos Realität. Damit
komme ich dann zu dem Thema, das meine Rede über religionstheologischen
Pluralismus verkürzt, weil man es natürlich in diesen Tagen als Iranistin nicht aus-
sparen kann. Das Thema der Stunde ist für viele, nicht nur für mich: Iran.
Viele fragen sich, was dort gerade passiert. Wir sind Zeuge wovon? Einer Re-
volution? Einem Aufstand? Hat der schon das Stadium der Revolution erreicht?
Was für ein Aufstand, eine Revolution ist das? Ob es eine feministische ist, bin ich
in diesen Tagen von allen möglichen Medien oft gefragt worden. Ob es eine anti-
islamische ist.
Ich würde sagen: Was wir beobachten, hat inzwischen tatsächlich das Stadium
der Revolution erreicht. Was nicht bedeutet, dass dieser Prozess nicht gestoppt
werden kann, wenn die Sicherheitskräfte noch stärker gegen die Protestierenden
vorgehen, als sie es ohnehin schon tun. Doch ich möchte mit Ihnen nicht über die
Chancen des Erfolgs dieser Bewegung reden. Das kann im Moment niemand ab-
schätzen. Ich möchte mit Ihnen darüber reden, was wir da, also in Iran, sehen. Und
mit Ihnen meine Verwunderung darüber teilen, was wir hier, also in Deutschland,
nicht sehen,

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