Antrittsrede von Bettina Valeska Lotsch
chäologie, Literaturwissenschaft und Medizin landete ich treffsicher bei der Philo-
sophie, mit der sich ebenfalls nur schwer Brot verdienen lässt. So ersetzte ich dann
kurzerhand den Idealismus mit einem — mir sehr uneigenen — Pragmatismus, aber
nicht ohne mich quasi antithetisch für ein Fach zu entscheiden, das auf den ersten
Blick so ziemlich gar nichts mit der Philosophie gemein hatte: nämlich (doch) die
Chemie.
Es dauerte dann auch ganze drei Semester, bis ich langsam vom Homo Philo-
sophicus zum Homo Chemicus mutierte. Katalysiert wurde dieser Prozess durch
die Aneignung dessen, was wir als „chemische Intuition“ bezeichnen und das zum
grundlegenden Rüstzeug des Chemikers gehört. Aber chemische Intuition ist so
viel mehr als der Name impliziert: Es ist das gesammelte „Stoffwissen“, die Essenz
der Stoffchemie, die dabei hilft, durch das Periodensystem zu navigieren und darin
Strukturen zu erkennen, mit denen man beispielsweise Reaktivitäten treffsicher
vorhersagen kann. Diese wunderbare innere Logik, aber auch die Vielfalt der Ele-
ment- und Stoffchemie - trotz und gerade wegen ihrer Gegensätze! - hat mich
seither nicht mehr losgelassen und ist vermutlich auch der Grund dafür, weshalb
eine Anorganikerin aus mir geworden ist.
Ich sollte noch erwähnen, dass ich eigentlich in Heidelberg Chemie (oder
„Schemie“, wie der Pfälzer sagt) studieren wollte; letztlich verschlug es mich aber
dann an die LMU München (wo ich dann „Kemie“ studierte, wie der Bayer sagt).
Schuld daran war Maximilian II. Joseph von Bayern, der als bayerischer König
1852 die Stiftung Maximilianeum ins Leben gerufen hatte und die seither auch den
besten Abiturienten (und seit 1980 auch Abiturientinnen) der linksrheinischen, da
ehemals bayerischen Pfalz offenstand. Die Stiftung bot mir während des Studiums
Kost und Logis im Maximilianeum, dem Bayerischen Landtag. Das Leben in der
„Stiftung“, wie diese Einrichtung liebevoll von den Stipendiaten genannt wird,
öffnete mir nicht nur Innenansichten des Bayerischen Landtags, sondern bestärkte
mich auch in der Überzeugung, dass Gegensätze - man erlebte sie fast täglich in
Gesprächen mit Stipendiatinnen und Stipendiaten aus unterschiedlichen Diszipli-
nen und Fachkulturen - ganz entscheidend sind für einen gesunden wissenschaft-
lichen Diskurs.
Übrigens gilt dasselbe für die Studienstiftung und die zahlreichen Sommer-
akademien, an denen ich während meines Studiums und der Promotion teil-
nehmen durfte, und Sie können sich sicher vorstellen, dass ich mich auf diesen
interdisziplinären Austausch in der Akademie ganz besonders freue.
Kaum im Studium angekommen und noch kurz vor dem Vordiplom eröff-
nete sich dann, ermöglicht durch ein Austauschprogramm der Stiftung Maximi-
lianeum, die Möglichkeit, ein Jahr an der Universität Oxford zu studieren. Dort
vollzog sich dann eine Art Metamorphose von der Studentin zur Forscherin. Ich
beschäftigte mich dort mit der Interkalation von Uranylsalzen in schichtartige
Doppelhydroxide, die - so die Hoffnung - als „nuklearer Mülleimer“ dienen soll-
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chäologie, Literaturwissenschaft und Medizin landete ich treffsicher bei der Philo-
sophie, mit der sich ebenfalls nur schwer Brot verdienen lässt. So ersetzte ich dann
kurzerhand den Idealismus mit einem — mir sehr uneigenen — Pragmatismus, aber
nicht ohne mich quasi antithetisch für ein Fach zu entscheiden, das auf den ersten
Blick so ziemlich gar nichts mit der Philosophie gemein hatte: nämlich (doch) die
Chemie.
Es dauerte dann auch ganze drei Semester, bis ich langsam vom Homo Philo-
sophicus zum Homo Chemicus mutierte. Katalysiert wurde dieser Prozess durch
die Aneignung dessen, was wir als „chemische Intuition“ bezeichnen und das zum
grundlegenden Rüstzeug des Chemikers gehört. Aber chemische Intuition ist so
viel mehr als der Name impliziert: Es ist das gesammelte „Stoffwissen“, die Essenz
der Stoffchemie, die dabei hilft, durch das Periodensystem zu navigieren und darin
Strukturen zu erkennen, mit denen man beispielsweise Reaktivitäten treffsicher
vorhersagen kann. Diese wunderbare innere Logik, aber auch die Vielfalt der Ele-
ment- und Stoffchemie - trotz und gerade wegen ihrer Gegensätze! - hat mich
seither nicht mehr losgelassen und ist vermutlich auch der Grund dafür, weshalb
eine Anorganikerin aus mir geworden ist.
Ich sollte noch erwähnen, dass ich eigentlich in Heidelberg Chemie (oder
„Schemie“, wie der Pfälzer sagt) studieren wollte; letztlich verschlug es mich aber
dann an die LMU München (wo ich dann „Kemie“ studierte, wie der Bayer sagt).
Schuld daran war Maximilian II. Joseph von Bayern, der als bayerischer König
1852 die Stiftung Maximilianeum ins Leben gerufen hatte und die seither auch den
besten Abiturienten (und seit 1980 auch Abiturientinnen) der linksrheinischen, da
ehemals bayerischen Pfalz offenstand. Die Stiftung bot mir während des Studiums
Kost und Logis im Maximilianeum, dem Bayerischen Landtag. Das Leben in der
„Stiftung“, wie diese Einrichtung liebevoll von den Stipendiaten genannt wird,
öffnete mir nicht nur Innenansichten des Bayerischen Landtags, sondern bestärkte
mich auch in der Überzeugung, dass Gegensätze - man erlebte sie fast täglich in
Gesprächen mit Stipendiatinnen und Stipendiaten aus unterschiedlichen Diszipli-
nen und Fachkulturen - ganz entscheidend sind für einen gesunden wissenschaft-
lichen Diskurs.
Übrigens gilt dasselbe für die Studienstiftung und die zahlreichen Sommer-
akademien, an denen ich während meines Studiums und der Promotion teil-
nehmen durfte, und Sie können sich sicher vorstellen, dass ich mich auf diesen
interdisziplinären Austausch in der Akademie ganz besonders freue.
Kaum im Studium angekommen und noch kurz vor dem Vordiplom eröff-
nete sich dann, ermöglicht durch ein Austauschprogramm der Stiftung Maximi-
lianeum, die Möglichkeit, ein Jahr an der Universität Oxford zu studieren. Dort
vollzog sich dann eine Art Metamorphose von der Studentin zur Forscherin. Ich
beschäftigte mich dort mit der Interkalation von Uranylsalzen in schichtartige
Doppelhydroxide, die - so die Hoffnung - als „nuklearer Mülleimer“ dienen soll-
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