B. Die Mitglieder
ten. Was mit Uranylsalzen erfolglos blieb, gelang letztlich mit Nukleotiden (al-
so „DNA-Schnipseln“). Aus dieser Zeit nahm ich zwei Dinge mit, die für mein
weiteres Chemiker-Dasein von ganz entscheidender Bedeutung waren: eine hohe
Frustrationstoleranz, die quasi zur Grundausstattungjcdes Chemikers gehört, frei
nach dem Motto „Nichts funktioniert (im Labor) und keiner weiß warum“. Zum
anderen die Faszination für Materialien, die aus organischen und anorganischen
Bausteinen zusammengesetzt sind. Hier sind sie also wieder, die Gegensätze...
Zurück in München erhielt ich mein Diplom, aber die Entscheidung für ein
Diplom- und Doktorarbeitsthema fiel mir schwer, weil ich mich nicht gegen die an-
organische, organische oder physikalische Chemie entscheiden wollte. Ich wählte
daher kurzerhand ein Thema, das ein wenig von allem enthielt: ein Thema aus der
organischen Festkörperchemie, in dem ein breites physikalisches Methodenarsenal
aufgefahren werden konnte - von der Neutronenstreuung und Elektronenmikro-
skopie bis hin zur Festkörper-NMR-Spektroskopie. Kurzum, mein Betreuer und
späterer Doktorvater Wolfgang Schnick wusste genau, wie er mich locken konnte.
Seiner Anleitung und Weitsicht, aber auch seiner bedingungslosen Unterstützung
habe ich viel zu verdanken. In meiner Doktorarbeit gelang mir die Strukturlösung
einer Verbindung aus der Familie der Kohlenstoffnitride, die bereits von Justus
von Liebig im 19. Jahrhundert intensiv erforscht wurde — „Liebigs Melon.“ Diese
Verbindung sollte schon wenige Jahre später zur Schlüsselverbindung eines neuen
Gebietes werden, auf dem wir bis heute tätig sind: die photokatalytische Wasser-
spaltung mit molekularen Halbleitern.
Nach Abschluss meiner Doktorarbeit Ende 2006 ging ich für ein Postdoktorat
nach Kanada an die University of Toronto, gefördert durch ein Feodor-Lynen-
Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung, zu einem der „Väter“ der Na-
nochemie, Geoffrey Ozin. Geoffrey Ozin ist ein wahrer Meister der Kreativität,
der sich gern mit dem Wizard of Oz vergleicht und nebenbei „Oden an CO,“
schreibt. Dieser Aufenthalt eröffnete nicht nur geographisch Neuland, sondern
auch die bisweilen etwas „ungeordnete“, aber faszinierende Welt der Nanochemie,
die salopp formuliert jenseits dessen liegt, was sich einigermaßen bequem mit der
Röntgenbeugung beschreiben lässt. Mit der Nanochemie erschlossen sich mir
zum einen neue Längenskalen (die für den Chemiker ja eher größer sind als die
atomaren Längenskalen, mit denen er es gewöhnlich zu tun hat), zum anderen
aber auch neue physikalische Phänomene. Dazu gehören optische Eigenschaften,
die sich aus der Nanostrukturierung von Materialien ergeben. Die daraus resul-
tierende „strukturelle Farbe“ machte ich mir in meinen Arbeiten zu sogenannten
Photonischen Kristallen zunutze, um dynamisch durchstimmbare optische Sensoren
auf Basis stimuli-responsiver Materialien zu entwickeln.
Nach knapp einem Jahr in Toronto - ich war gerade erst warm geworden -
erhielt ich einen Ruf auf eine W2-Professur an der LMU München - die erste
Tennre Track-Professur am Department Chemie. Zurück an der Alma Mater bau-
198
ten. Was mit Uranylsalzen erfolglos blieb, gelang letztlich mit Nukleotiden (al-
so „DNA-Schnipseln“). Aus dieser Zeit nahm ich zwei Dinge mit, die für mein
weiteres Chemiker-Dasein von ganz entscheidender Bedeutung waren: eine hohe
Frustrationstoleranz, die quasi zur Grundausstattungjcdes Chemikers gehört, frei
nach dem Motto „Nichts funktioniert (im Labor) und keiner weiß warum“. Zum
anderen die Faszination für Materialien, die aus organischen und anorganischen
Bausteinen zusammengesetzt sind. Hier sind sie also wieder, die Gegensätze...
Zurück in München erhielt ich mein Diplom, aber die Entscheidung für ein
Diplom- und Doktorarbeitsthema fiel mir schwer, weil ich mich nicht gegen die an-
organische, organische oder physikalische Chemie entscheiden wollte. Ich wählte
daher kurzerhand ein Thema, das ein wenig von allem enthielt: ein Thema aus der
organischen Festkörperchemie, in dem ein breites physikalisches Methodenarsenal
aufgefahren werden konnte - von der Neutronenstreuung und Elektronenmikro-
skopie bis hin zur Festkörper-NMR-Spektroskopie. Kurzum, mein Betreuer und
späterer Doktorvater Wolfgang Schnick wusste genau, wie er mich locken konnte.
Seiner Anleitung und Weitsicht, aber auch seiner bedingungslosen Unterstützung
habe ich viel zu verdanken. In meiner Doktorarbeit gelang mir die Strukturlösung
einer Verbindung aus der Familie der Kohlenstoffnitride, die bereits von Justus
von Liebig im 19. Jahrhundert intensiv erforscht wurde — „Liebigs Melon.“ Diese
Verbindung sollte schon wenige Jahre später zur Schlüsselverbindung eines neuen
Gebietes werden, auf dem wir bis heute tätig sind: die photokatalytische Wasser-
spaltung mit molekularen Halbleitern.
Nach Abschluss meiner Doktorarbeit Ende 2006 ging ich für ein Postdoktorat
nach Kanada an die University of Toronto, gefördert durch ein Feodor-Lynen-
Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung, zu einem der „Väter“ der Na-
nochemie, Geoffrey Ozin. Geoffrey Ozin ist ein wahrer Meister der Kreativität,
der sich gern mit dem Wizard of Oz vergleicht und nebenbei „Oden an CO,“
schreibt. Dieser Aufenthalt eröffnete nicht nur geographisch Neuland, sondern
auch die bisweilen etwas „ungeordnete“, aber faszinierende Welt der Nanochemie,
die salopp formuliert jenseits dessen liegt, was sich einigermaßen bequem mit der
Röntgenbeugung beschreiben lässt. Mit der Nanochemie erschlossen sich mir
zum einen neue Längenskalen (die für den Chemiker ja eher größer sind als die
atomaren Längenskalen, mit denen er es gewöhnlich zu tun hat), zum anderen
aber auch neue physikalische Phänomene. Dazu gehören optische Eigenschaften,
die sich aus der Nanostrukturierung von Materialien ergeben. Die daraus resul-
tierende „strukturelle Farbe“ machte ich mir in meinen Arbeiten zu sogenannten
Photonischen Kristallen zunutze, um dynamisch durchstimmbare optische Sensoren
auf Basis stimuli-responsiver Materialien zu entwickeln.
Nach knapp einem Jahr in Toronto - ich war gerade erst warm geworden -
erhielt ich einen Ruf auf eine W2-Professur an der LMU München - die erste
Tennre Track-Professur am Department Chemie. Zurück an der Alma Mater bau-
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