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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2022 — 2023

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B. Die Mitglieder
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I. Antrittsreden
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Lotsch, Bettina Valeska: Antrittsrede vom 29. Oktober 2022
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https://doi.org/10.11588/diglit.67410#0199
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Antrittsrede von Bettina Valeska Lotsch

te ich seit 2009 meine Gruppe mit dem Ziel auf, die Methoden der Festkörper-,
molekularen und Nanochemie zu amalgamieren, um neue Materialien für die
Energiekonversion und -Speicherung herzustellen. Eine Vision, die mich dabei
besonders faszinierte, war die rationale Synthese von Materialien durch „Lego“
auf der molekularen und auf der Nanoskala: das modulare Zusammenfügen von
molekularen Bausteinen und zweidimensionalen Nanoschichten (Graphen waren
gerade erst entdeckt worden), um neue Materialien gezielt und mit maximaler
Kontrolle herzustellen.
Nach wiederum zwei Jahren erhielt ich das ebenso verlockende wie riskante
Angebot, auf eine Art inoffiziellen Director Track am Max-Planck-Institut für Fest-
körperforschung in Stuttgart zu wechseln. Ich entschied mich für das Risiko, aber
nicht ohne ein Standbein an der LMU zu behalten, was dann folgerichtig in den
nächsten Jahren zu zwei Maxima in meiner Aufenthaltswahrscheinlichkeit führen
sollte - eines in Stuttgart und eines in München. Die folgenden Jahre, in denen
ich mich zeitgleich auf zwei Tenure Tracks zur selben Zeit wiederfand, waren in-
tensiv und anstrengend, aber ich hätte mir von meinen Kollegen am MPI keine
bessere Unterstützung wünschen können. 2014 wurde ich an der LMU verstetigt
und 2016 erhielt ich den Ruf auf einen Direktorenposten am Max-Planck-Institut
für Festkörperforschung, den ich 2017 antrat. Die Pendelei bleibt mir allerdings
bis heute nicht erspart, da mein Mann einen Lehrstuhl an der LMU innehat und
ich nach wie vor eine enge Anbindung - beispielsweise über den Exzellenzcluster
e-conversion - an die LMU München pflege. Immerhin muss ich seit 2017 nicht
mehr alleine pendeln, da mich unser kleiner Sohn Christoph Immanuel begleitet.
Zu zweit pendelt es sich deutlich besser; wir haben uns gewissermaßen eingepen-
delt. ..
Lassen Sie mich zu guter Letzt noch etwas zu dem sagen, weswegen ich hier
bin: zu unserer Forschung. Kommen wir zurück zu Hegel, jetzt zur „Synthese“
(auch wenn Hegel dabei vermutlich etwas anderes im Sinn gehabt hatte):
Synthese ist unser Hauptwerkzeug. Wir synthetisieren funktionale Materi-
alien - aber damit nicht genug; wir wollen sie auch verstehen. Ganz im Sinne
Richard Feynmans, der einst sagte: „What I cannot create, I do not understand“.
Was wir verstehen möchten, ist, wie wir die Eigenschaften von Materialien über
ihre Struktur steuern können - und zwar von der atomaren Skala über die Nano-
meterskala bis hin zu makroskopischen Dimensionen. Veranschaulichen lässt sich
dieses Konzept an Proteinen, deren Funktion sich aus ihrer Strukturierung über
mehrere Längenskalen ergibt, von der Primärstruktur bis hin zur Quartärstruktur.
Dabei nutzen wir die gesamte Vielfalt des Periodensystems und kombinieren ganz
bewusst sehr unterschiedliche - gegensätzliche - Materialkonzepte, nämlich an-
organische und organische. Damit möchten wir den großen Herausforderungen
unserer Zeit begegnen: Klimawandel, Energiekrise, Ressourcenknappheit. Hier
möchte ich beispielhaft nur ein solches Konzept nennen, das wir kürzlich ent-

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