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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2022 — 2023

DOI Kapitel:
D. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
DOI Kapitel:
III. Das WIN-Kolleg der Jungen Akademie | HAdW
DOI Kapitel:
Siebter Forschungsschwerpunkt: „Wie entscheiden Kollektive?“
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https://doi.org/10.11588/diglit.67410#0395
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4. Shared Data Sources (WIN-Programm)

Im zweiten Teil des Projekts wird eine psychologische Theorie entwickelt
und empirisch getestet, die kollaborative Gruppenprozesse in Online-Projekten
wie Wikipedia und OpenStreetMap beschreibt und erklärt. Im Fokus steht dabei
die spezielle Art der Zusammenarbeit, da Kollaboration in kollektiven Projekten in
der Regel sequentiell stattfindet. Dies bedeutet, dass die Nutzer nach dem ersten
Eintrag einer Information inkrementell Änderungen auf Grundlage der jeweils ak-
tuellsten Version eines Eintrags beitragen können. Dabei kann jeder Nutzer selbst
entscheiden, ob er oder sie einen Eintrag in Wikipedia oder OpenStreetMap nur
passiv liest oder diesen auch aktiv durch Änderungen verbessert. In Abgrenzung
zu anderen Arten der Interaktion bezeichnen wir diese Art der Zusammenarbeit
als sequentielle Kollaboration. Die vorgeschlagene Theorie macht die Annahme,
dass vor allem Experten und Expertinnen nützliche und korrekte Informationen
und Änderungen einbringen, wohingegen Laien vorhandene Informationen mit
geringerer Wahrscheinlichkeit ändern und somit eher beibehalten. Die Theorie
macht somit die Vorhersage, dass die Güte der Wissensrepräsentation in geteilten
Datenbanken über die Zeit zunimmt.
Aktueller Projektstand
In einem ersten Teilprojekt konnte in drei Studien mithilfe von Allgemeinwissens-
fragen und Kartenaufgaben (siche Abb. 1) gezeigt werden, dass sequentielle Kol-
laboration die Entwicklung genauer Urteile innerhalb einer sequentiellen Kette
fördert. Die in Ketten von 4 bis 6 Teilnehmenden entstandenen Schätzenden am
Ende einer Kette erreichten dabei ähnliche Genauigkeit wie beim Mitteln dersel-
ben Anzahl von Urteilen (Wisdom of Crowds). Dieser Befund ist besonders des-
halb überraschend und bedeutsam, da in der Vergangenheit häufig gezeigt werden
konnte, dass Wisdom of Crowds sehr genaue Schätzende erzeugt.
Trotz des wichtigen Befundes blieb zunächst unklar, welche Aspekte und
Mechanismen der sequentiellen Kollaboration zu derart genauen Urteilen füh-
ren. Eine bisher nicht empirisch geprüfte Annahme war, dass dieser Prozess den
Beitragenden die Möglichkeit bietet, ihre Urteile entsprechend der eigenen Ex-
pertise zu gewichten. Dies ist möglich, indem die Teilnehmenden gezeigte Urteile
verbessern, die sie als falsch erachten, aber dagegen solche Urteile beibehalten, die
sie nicht verbessern können. Diese Annahme wurde in drei Studien getestet, in de-
nen die Expertise der Teilnehmenden entweder gemessen oder durch ein Training
manipuliert wurde. Es zeigte sich, dass Teilnehmende mit höherer Expertise die
gezeigten Urteile tatsächlich häufiger ändern und stärker verbessern, je höher ihre
Expertise ist. Dieser Befund wurde in Studie 3 auch auf sequentielle Ketten ausge-
weitet, wodurch gezeigt werden konnte, dass Schätzende am Ende einer sequen-
tiellen Ketter genauer werden, je mehr und je später Experten und Expertinnen in
einer sequentiellen Kette von Urteilen agieren.

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