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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2022 — 2023

DOI chapter:
A. Das akademische Jahr 2022
DOI chapter:
II. Wissenschaftliche Vorträge
DOI article:
Monyer, Hannah: Erinnerung und Gedächtnis: von Mnemosyne zum NMDA-Rezeptor
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.67410#0053
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Hannah Monyer

es handelt sich um eine Veränderung der Postsynapse, d.h. der nachgeschalteten
Zelle; bei dieser Form von LTP sind zahlreiche molekulare Mechanismen be-
schrieben. Nur einige sollen hier genannt werden; so können bereits bestehende
Glutamatrezeptoren vom AMPA Typ phosphoryliert werden, was ihre Leitfähig-
keit erhöht. Oft werden neue AMPA Rezeptoren in die Membran eingebaut. Bei-
de Modifikationen bewirken, dass postsynaptische Ströme größer sind als vor der
Potenzierung. Diese plastischen Veränderungen finden unmittelbar (d.h. in Minu-
ten) nach LTP-Induktion statt. Es können aber auch Synapsen de novo entstehen.
Diese plastischen Veränderungen erfolgen in der Spätphase (in Stunden, Tagen)
nach LTP-Induktion. Die strukturellen Veränderungen in der Nervenzelle gehen
oft mit Modifikationen des Aktin- Cytoskeletts einher.
Beim Phänomen LTP darf nicht unerwähnt bleiben, dass ein Rezeptor be-
sonderer Art, der NMDA-Rezeptor, an vielen Synapsen für neuronale Plastizität
von großer funktioneller Bedeutung ist. Dieser Glutamatrezeptor hat eine Schlüs-
selfunktion, denn er kann nur aktiviert werden, wenn die präsynaptische und
postsynaptische Zelle gleichzeitig aktiv ist. Der NMDA- Rezeptor fungiert somit
als ,Koinzidenzdetektor4, und die durch seine Aktivierung induzierte synaptische
Plastizität ist experimentelle Evidenz für die von Donald O. Hebb bereits 1949
formulierte Hypothese “What fires together, wires together”.
Die Aktivierung der NMDA-Rezeptoren und der damit verbundene Calci-
um-Einstrom triggert neben dem sofortigen Einfügen neuer AMPA-Rezeptoren
in die Postsynapse eine komplexe molekulare Signalkaskade, die letztendlich
,translationale‘ Modifikationen in Gang setzt. D.h. es kommt zur Neusynthese
nicht nur von AMPA-Rezeptoren, sondern von vielen weiteren synaptischen Pro-
teinen, die strukturelle Veränderungen der potenzierten Synapsen über längere
Zeiträume (Tage, Wochen) gewährleisten. Deshalb können Synapsen, die nach
LTP-Induktion verstärkt wurden, durch Proteinsynthesehemmer wieder abge-
schwächt werden. Wichtig sind im Kontext der oben eiwähnten Interferenztheorie
solche Studien, die belegen, dass LTP durch darauffolgende Stimuli modifiziert
werden kann. So wurde LTP-induzierte verstärkte synaptische Übertragung in vivo
abgeschwächt, wenn Tiere unmittelbar danach eine neue Umgebung explorierten
(Xu et al., 1998). Die mit dem explorativen Verhalten einhergehende Stimulation
erfolgte vermutlich in der noch nicht abgeschlossenen Konsolidierungsphase der
LTP-induzierten plastischen Veränderungen. Umgekehrt kann die Induktion von
LTP in vivo retroaktiv Lerninhalte löschen (Brun et al., 2001).
Nun ist aber die Aktivierung des NMDA-Rezeptors keineswegs immer mit
einer erhöhten Signalübertragung nach repetitiver Stimulation verbunden. Eine
intensive Stimulation induziert zwar LTP, eine schwächere Stimulation jedoch
bewirkt das Gegenteil, nämlich LTD (long-term depression), d.h. eine Abschwä-
chung der postsynaptischen Antwort. Studien an Hirnschnitten zeigten, dass eine
nur moderate Stimulation des NMDA-Rezeptors und der damit einhergehende

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