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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2022 — 2023

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2022
DOI Kapitel:
II. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Artikel:
Monyer, Hannah: Erinnerung und Gedächtnis: von Mnemosyne zum NMDA-Rezeptor
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.67410#0055
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Hannah Monyer

larbiologischen Prozesse, die mit Rekonsolidierung einhergehen, weisen Ähnlich-
keit mit jenen auf, die Konsolidierung von neuen Synapsen gewährleisten, aber die
beiden Prozesse sind nicht identisch. Auch bei der Rekonsolidierung spielt die Ak-
tivierung des ,Mnemosyne Rezeptors4, d.h. des NMDA-Rezeptors, sowie Prote-
insynthese von neuen synaptischen Proteinen eine große Rolle. Die Funktion von
Rekonsolidierung wird am häufigsten im Kontext von Adaptation und therapeu-
tischem Potential diskutiert. Unter normalen, physiologischen Bedingungen böte
die Destabilisierung alter Erinnerungen und ihre Rekonsolidierung in einem neu-
en Kontext die Möglichkeit eines ,Updates4, einer Reformulierung, die von neuen
Umständen abhängig ist. Altes wird in neuem Licht anders gelesen und gedeutet.
Unter pathophysiologischen Bedingungen, die beispielsweise bei Erkrankungen
wie Sucht oder posttraumatischem Syndrom vorliegen, sieht man in der Destabi-
lisierung und Rekonsolidierung von Synapsen die Chance, alte Erinnerungen zu
überschreiben oder zu vergessen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass molekular- und zellbiologische Un-
tersuchungen eine Sichtweise unterstützen, der zufolge die Entstehung eines
Gedächtnisengramms in vielen Hirnregionen von der Aktivierung des NMDA-
Rezeptors abhängig ist. Damit Ncugelerntes in eine Langzeiterinnerung übergeht,
bedarf es der Konsolidierung von Synapsen. Ein späteres Abrufen einer Erinne-
rung macht die am Engramm beteiligten Synapsen jedoch wieder labil. Die Re-
konsolidierung garantiert erneut die Stabilität des abgerufenen Engramms, dieses
wird jedoch modifiziert, d.h. angepasst an die neuen Gegebenheiten, gespeichert.
Anders ausgedrückt, eine Erinnerung wird bei jedem Abrufen an die aktuelle Situ-
ation angepasst und, mehr oder weniger verändert, wieder gespeichert.
Literatur
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