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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2022 — 2023

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A. Das akademische Jahr 2022
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III. Veranstaltungen
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Verleihung des Karl-Jaspers-Preises 2022 an den Philosophen Volker Gerhardt
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Gerhardt, Volker: Die Soziomorphie des Bewusstseins: eine Überlegung im Anschluss an Karl Jasper
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https://doi.org/10.11588/diglit.67410#0160
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III. Veranstaltungen

fanden werden, wo er vom Menschen selbst ernstzu nehmen, festzuhalten und zu sichern
ist.
Noch später habe ich die philosophische Potenz im Begriff des Umgreifen-
den entdeckt, der mir zunächst wie eine pastorale Verbrämung der Transzendenz
erschien. Inzwischen bin ich davon überzeugt, dass Jaspers mit dem die Selbstre-
flexion des Menschen erweiternden Begriff des Umgreifenden der Theologie einen
sinnlich naheliegenden und dennoch nicht trivialen Grund für den Aufschwung
zum Göttlichen aufgewiesen hat, ein Göttliches, das man im Nirgendwo der Trans-
zendenz schon defmitionsgemäß nicht antreffen kann.
Zu Jaspers gehört aber auch, dass er bereits 1949 die ökologischen Risiken
der modernen Lebenswelt und die bevorstehende Erschöpfung der natürlichen
Ressourcen thematisiert. Sieben Jahre später, zeitgleich mit den Schriften von
Günther Anders und Carl-Friedrich von Weizsäcker, warnt er in seinem Buch Die
Atombombe und die Zukunft des Menschen vor den Gefahren, die der Zivilisation mit
der militärischen Nutzung der atomaren Kernspaltung drohen.
Das Buch habe ich sechzig Jahre nach seiner Publikation in einem Berliner
Seminar behandelt und konnte die hohe Teilnehmerzahl, den Arbeitseifer der Re-
ferenten und die Entschiedenheit, mit der sie sogar den prophetischen, von einem
meiner Lehrer aber auch als „milchig“ beargwöhnten, Stil des Autors verteidigt
haben. Das Interesse der Jüngeren zeigte, welche Wirkung Jaspers auch bei Lesern
im 21. Jahrhundert zu wecken vermag.
Das letzte, was ich von Jaspers zu lesen bekam, waren die umfangreichen Ma-
terialien, die er in den Jahren vor seinem Tod für sein Hannah Buch gesammelt hat,
um seine zur Freundin gewordene, einstige Doktorandin Hannah Arendt gegen
die Kritik zu verteidigen, die sie nach der Veröffentlichung ihrer Berichte über den
Jerusalemer Eichmann-Prozess auf sich gezogen hat.2 Vor zwölf Jahren lagen die
Aktenordner im Marbacher Archiv. Nun bin froh, dass dieses Konvolut nicht dazu
verurteilt ist, zum Mythos zu werden und in Verbindung mit der Heidelberger
Gesamtausgabe erscheinen kann.
Über alles dies würde ich gern ausführlich sprechen. Doch dazu reicht die
Zeit einer Danksagung nicht aus. Also schließe ich meine Vorbemerkung zur
Person und zum Werk von Karl Jaspers hier ab und konzentriere mich auf einen
einzigen Punkt, der mir philosophisch vorrangig erscheint. Jaspers hat ihn an ex-
ponierter Stelle erörtert, ohne dass der Topos die ihm gebührende Aufmerksam-
keit gefunden hat. Ich hoffe, dass mein Hinweis helfen kann, eine bis heute offene
Grundfrage sowohl unseres Denkens wie auch unserer menschlichen Existenz
genauer zu fassen. Er ist zugleich, auch wenn ich davon heute kein Aufhebens

2 Der viele noch heute befremdende Untertitel: „Die Banalität des Bösen“ stammte aus einem
bereits in den späten vierziger Jahren von Karl Jaspers an Arendt geschriebenen Brief

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