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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2022 — 2023

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B. Die Mitglieder
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I. Antrittsreden
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Bauer, Jürgen M.: Antrittsrede vom 26. November 2022
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https://doi.org/10.11588/diglit.67410#0206
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B. Die Mitglieder

Erlangen-Nürnberg studierte. Das Studium schloss ich 1988 ab. Die Promotion in
der Inneren Medizin über ein experimentelles gastroenterologisches Thema folgte
im gleichen Jahr. Doch wie nun weiter? Wäre der Lehrstuhlinhaber für Gastroen-
terologie damals nicht krankheitsbedingt überraschend emeritiert, hätte ich wohl
bereits damals den Einstieg in eine akademische Karriere geschafft. Familiäre Um-
stände, wie der frühe Tod meines Vaters und erneut das Bedürfnis nach finanzieller
Absicherung führten jedoch dazu, dass dieser Einstieg dann erst 16 Jahre später
erfolgte. So wurde ich zunächst ein klinisch umfassend weitergebildeter Internist
und Gastroenterologe, der unter anderem fünf Jahre die gastroenterologische In-
tensivstation am Klinikum Nürnberg als Oberarzt leitete und als Endoskopiker
eine große Zahl gastroenterologischer Notfälle in Nordbayern versorgte.
2004 wuchs bei mir zunehmend das Bedürfnis, mich verändern zu wollen,
auch um vielleicht doch noch den Wunsch nach einer akademischen Karriere ver-
wirklichen zu können. Für einen potentiellen Spätstarter mit 42 Jahren war dies
mehr ein Wunschtraum als ein realistisches Szenario. Durch einen glücklichen
Umstand erhielt ich das Angebot, als Oberarzt an den Lehrstuhl für Innere Medi-
zin-Geriatrie der Universität Erlangen-Nürnberg zu wechseln, der am Klinikum
Nürnberg angesiedelt war. Der Lehrstuhlinhaber Cornel Sieber war Hepatologe
und Geriater, sodass sich hier eine gewisse Geistesverwandtschaft abzeichnete. Da-
mals war das Ansehen der Geriatrie unter Medizinern noch eher gering und das
Fach galt als ausgesprochen unprofiliert. Ausdruck dieses Umstands war die Tatsa-
che, dass es lediglich drei Lehrstühle für Geriatrie gab, von denen jeder nur über
eine mäßige finanzielle und personelle Ausstattung verfügte. Der damalige Vor-
stand am Klinikum Nürnberg fragte mich damals mit komplettem Unverständnis,
was ich mir bei einem solchen Fachwechsel gedacht hatte. So stand es damals um
die Geriatrie.
Der Wechsel in die neue Arbeitsumgebung glückte - auch dank der nach-
haltigen Unterstützung des Lehrstuhlinhabers, des Schweizers Cornel Sieber.
Erste wissenschaftliche Projekte fokussierten auf die Ernährungssituation des älte-
ren Menschen, die durch eine besondere Gefährdung für eine Mangelernährung
charakterisiert ist - ein Umstand, der damals noch weitestgehend vernachlässigt
wurde. In unserer Arbeitsgruppe entwickelten wir auf der Basis einer gepoolten
Analyse internationaler Datensätze die noch aktuelle Version des bis heute welt-
weit am häufigsten eingesetzten Screening-Verfahrens für Mangelernährung im
Alter, der Kurzform des Mini Nutritional Assessment (MNA-sf), welches mitt-
lerweile in 39 Sprachen vorliegt und welches unter anderem auf Veranlassung der
japanischen Regierung nach dem Erdbeben in Fukushima systematisch zum Ein-
satz kam.
In Anbetracht der demographischen Entwicklung war der Rückstand der
deutschen Geriatrie zu Beginn der Nullerjahre gegenüber anderen europäischen
Ländern bedrückend. Deutschland war im Vergleich zu den skandinavischen Län-

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