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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2019
DOI Kapitel:
I. Jahresfeier am 18. Mai 2019
DOI Kapitel:
Grußwort des Präsidenten der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina Jörg Hacker
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0014
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I. Jahresfeier am 18. Mai 2019

schaftlicher Fragen akzeptiert werden. Aber in einer pluralistischen Demokratie
gehört in zentralen Lebensbereichen der Bezug auf den wissenschaftlichen Er-
kenntnisstand zu den wichtigsten Ressourcen für Problemlösungen, die von mög-
lichst vielen Betroffenen mitgetragen werden können.
Zweitens zeigt die gesellschaftliche Auseinandersetzung um den Einsatz neuer
Technologien, dass deren Entstehungs- und Verbreitungsprozesse immer stärker
durch den Verlauf soziokultureller Grundsatzdebatten mitbestimmt werden, die
den engen Rahmen der Forschungs- und Innovationspolitik bei weitem über-
schreiten. Das zeigt sich sehr deutlich in der Diskussion um die Digitalisierung
der Gesellschaft und ihre Auswirkungen auf das Verhältnis von Privatheit und Öf-
fentlichkeit.
Drittens betonen gerade die Akademien immer wieder, dass auch und insbe-
sondere die Grundlagenforschung ein großes Potenzial besitzt, um für die Bewäl-
tigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen wichtige Beiträge zu liefern.
Diese Einschätzung teile ich voll und ganz. Allerdings wird sie von anscheinend
wachsenden Teilen der Öffentlichkeit und der Politik so verstanden, dass auch
das einzelne Forschungsvorhaben sich durch seinen wie auch immer definierten
gesellschaftlichen Nutzen zu rechtfertigen habe, wenn es öffentliche Fördermit-
tel erhalten soll. Von dieser Erwartung wird etwa die intensiv geführte Debatte
um den Beitrag der Wissenschaft zur nachhaltigen Entwicklung beeinflusst. Hier
muss es der Wissenschaft im Allgemeinen und den Akademien im Besonderen da-
rum gehen, auf die Notwendigkeit der größtmöglichen thematischen Vielfalt und
Ergebnisoffenheit der öffentlich geförderten Grundlagenforschung hinzuweisen.
Denn nur diese Vielfalt und diese Offenheit können - auf eine meistens unvor-
hersehbare Weise — zu einem hohen gesellschaftlichen Nutzen der Grundlagen-
forschung führen.
Ich freue mich, wenn die deutschen Wissenschaftsakademien die Chance
ergreifen, sich in die von mir genannten und zahlreiche weitere Debatten ein-
zumischen. Dies tun sie vor allem durch eine zeitgemäße wissenschaftsbasierte
Beratung von Politik und Öffentlichkeit, die herkömmliche Formen des öffentli-
chen Engagements von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht ersetzt,
aber sinnvoll ergänzt.
In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist das Mitglied der Hei-
delberger Akademie, an das uns gleich Herr Höffe erinnern wird, Karl Jaspers,
ein bedeutender Repräsentant der bis zur Aufklärung zurückreichenden Tradition,
dass sich Philosophen, Wissenschaftler und Intellektuelle öffentlich zu Wort mel-
den, um Missstände aufzudecken und gegen Fehlentwicklungen zu protestieren.
In einer seiner berühmtesten gesellschaftspolitischen Veröffentlichungen, in der
1966 veröffentlichten Schrift „Wohin treibt die Bundesrepublik?“, bemerkt Jaspers
zum Zusammenhang zwischen Demokratie, Bildung und Aufklärung:

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