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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2019
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II. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Artikel:
Eich, Peter: Kaiser und Konsul: die politische Ordnung im frühen römischen Prinzipat zwischen Tradition und Neuerung
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https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0070
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II. Wissenschaftliche Vorträge

Ämterordnung geführt wurde. Die zahlreichen, oft in sich wenig bedeutsamen
Begebenheiten, in denen Konsuln durch ihre Leitung des Senats das Gesche-
hen in Rom lenkten, können aber nur in ihrer Summe, in einer längeren Dar-
stellung, Relief und Gewicht erhalten. Für den Vortrag wurde einer geplanten
Studie vorgegriffen. Dazu wurden ganz besondere, politisch brisante Ereignisse
in den Blick genommen, die belegen sollen, dass der Konsulat in der Kaiserzeit
keineswegs einfach entmachtet war. Es handelt sich dabei um Ausnahmesitua-
tionen, die durch die Tötung eines Princeps oder den Versuch seiner Beseiti-
gung entstanden. Wie auch Egon Flaig in seiner Studie zur Usurpation in Rom
(22020) ging der Vortrag von der Annahme aus, dass die gewählten Ausnahmesi-
tuationen zeitgenössische Vorstellungen über Recht und Politik erhellen helfen
und Analysen des konventionellen Geschehens unterstützen, statt ihnen anti-
thetisch gegenüber zu stehen. Diese Annahme beruht wesentlich auf der zuerst
angesprochenen Sammlung von Belegen für konsulares Handeln innerhalb der
funktionierenden kaiserlichen res publica, von der sich die behandelten Ausnah-
mekonstellationen nicht der Sache nach unterscheiden, sondern in ihrer Trag-
weite und Tiefe.
Behandelt wurden folgende Beispiele:
Nach der Ermordung des Caesars Gaius Caligula versammelten nach einer
auf Cassius Dio zurückgehenden Notiz die Konsuln den Senat auf dem Kapitol
und griffen zur Bezahlung von Soldaten auf die Mittel der öffentlichen Aerari-
en zurück. Dies entspricht ganz republikanischen Formen (Dio 59,30,3; Johannes
Antiochenus Fr. 84 M v. 20 — 23).
Ebenso berichtet Dio, der Konsul Memmius Regulus sei 31 n. Chr. der ent-
scheidende Akteur bei der Niederschlagung eines Aufstandes des Präfekten Seian
gewesen (Cass. Dio 58,9,3; 10,6).
Tacitus wiederum erwähnt, dass während der Pisonischen Verschwörung
65 n. Chr. beide Seiten, Nero und seine Feinde, den amtierenden Konsul Vestinus
als gefährliche Unbekannte in der Auseinandersetzung ansahen, weil er in einer
Krise das Heft des Handelns hätte an sich reißen können (Tac. Ann. 15,52,3).
Diesen Momentaufnahmen entsprechen grundsätzliche Aussagen in vielen
Quellen. Noch Herodian betonte im 3. Jh. n. Chr., dass die Konsuln die natürli-
chen Vertreter der Kaiser waren (Herodian 2,12,4).
Diese Beispiele sollten demonstrieren, dass Relikte einer republikanischen
Ordnung noch lange im 1. Jh. n. Chr. die Politik in Rom mitbestimmten. In den
heute gängigen Vergleichen des Imperium Romanum mit anderen Reichen wer-
den derartige Besonderheiten jedoch wie die anderer Imperien weitgehend abge-
schliffen, um die Vergleichbarkeit auf einer augenfälligen Ebene sicherzustellen.
Die kulturhistorischen Studien charakterisieren den Prinzipat in der Regel eben-
falls als uneingeschränkte Monarchie und beschreiben deren Rituale. Insbeson-

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