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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2019
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III. Veranstaltungen
DOI Artikel:
Halfwassen, Jens: Laudatio auf Rudolf G. Wagner
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0149
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Verleihung des Karl-Jaspers-Preises 2019

ihrer Gegensätze. Wang Bi deutet es als die reine, absolut einfache Einheit an
sich selbst, die als solche jedwede Bestimmtheit von sich abweist und nur noch
in Verneinungen umschrieben werden kann: wenn wir von ihr sagen, dass sie ist,
machen wir sie schon zu einer Zweiheit; darum ist sie das „Undurchdringliche“,
das „Dunkle“ (XuanXue). Wang Bi deutet Laotses Rede vom „Dunklen“ als Aus-
druck der absoluten begrifflichen Negativität des absoluten Einheitsgrundes und
er entwickelt eine regelrechte negative Theologie des „Dunklen“, deren Über-
einstimmung mit Denkformen des Neuplatonismus verblüffend ist - sprechen
die Neuplatoniker doch vom „überhellen Dunkel“ des Absoluten: des Einen jen-
seits von Sein und Nichts.
Diese wenigen Sätze mögen andeuten, welchen metaphysischen Schatz ich
bei Wang Bi entdeckte. Das gemeinsame Seminar mit Rudolf Wagner gehört zu
den schönsten Lehrerfahrungen in den 20 Jahren, die ich an dieser wunderbaren
Universität unterrichte: es hat mich bereichert und mir Horizonte eröffnet. Wie
die bemerkenswerten Übereinstimmungen zwischen Platon und Laotse, Wang
Bi und den Neuplatonikern zustande kommen, wissen wir nicht. Das bleibt
ein Rätsel, weil der Austausch von Gedanken und Ideen für uns viel schwerer
nachzuvollziehen ist als der von Waren oder Techniken. So wissen wir, dass das
Römische Kaiserreich Seide aus China importierte, in gewaltigen Mengen. Vie-
le Jahrhunderte vorher kam die Technik der Bronzeherstellung aus dem Wes-
ten nach China. Dass mit Waren und Techniken immer auch Ideen ausgetauscht
wurden, ist äußerst wahrscheinlich, im Einzelnen aber nur sehr schwer nachzu-
weisen. Hier liegt jedenfalls eine gewaltige und noch kaum in Angriff genomme-
ne Forschungsaufgabe. Das Interesse an solchen historischen Zusammenhängen
und Austauschprozessen, die Kulturen übergreifen und verbinden, führte Rudolf
Wagner auf die Idee für ein Exzellenzcluster „Asien und Europa im globalen Kon-
text“, das solche Austauschprozesse erforschen sollte; in die Realisierung dieser
Idee investierte Wagner in den folgenden Jahren seine ganze gewaltige Energie
und seine ansteckende Begeisterungsfähigkeit. Er hatte Erfolg: der Cluster wurde
realisiert und prägt seit 12 Jahren die Heidelberger Geisteswissenschaften. Die
Asienwissenschaften wurden so zu einem blühenden Kraftzentrum unserer Uni-
versität. Die auf Europa bezogenen Geisteswissenschaften wurden gezwungen,
ihren Horizont auszuweiten auf eurasische Perspektiven, was ihnen gut getan hat.
Wir haben heute Forschungsprojekte, die etwa Phänomene wie Doppelkönigtum
oder Herrscherabsetzungen in Europa und Ostasien vergleichend untersuchen.
Auch das Philosophiestudium hat sich verändert, wie Rudolf Wagner gehofft hat-
te. Wir Philosophen haben heute viele chinesische Doktoranden und es gibt kaum
noch ein Semester ohne Lehrangebote zu chinesischer, indischer oder arabisch-
islamischer Philosophie.
Zum Schluss möchte ich Ihnen eine kleine Anekdote erzählen. Ich bin
derzeit als Senatsberichterstatter Mitglied einer Berufungskommission für die

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