Verleihung des Karl-Jaspers-Preises 2019
sätze) stellen Aspekte des kulturelle Erbes Chinas in einen breiteren Kontext und
untersuchen die Beziehungen zur Sowjetunion und anderen Ländern des Ost-
blocks sowie zwischen Europa, Japan, Korea und China, und hier wird die heikle
Frage der Asymmetrien und, wie auch Rudolf G. Wagner es nannte, der „aufholen-
den Modernisierung“ im China des 19. und 20. Jahrhunderts auf sehr subtile und
sensible Weise diskutiert.
Mit einer Reihe einflussreicher Werke über die frühe chinesische Presse und
über chinesische Enzyklopädien - immer im globalen Kontext - sowie Studien
über moderne Rekonfigurationen von Vorstellungen der Vergangenheit, des „Klas-
sischen“ und des nationalen Erbes, die China neben Indien, Ägypten, dem Iran
und der jüdischen und griechisch-römischen Welt erkundeten, wurde die Reihe
fortgesetzt. Ein neues Buch über das Filmschaffen während der Kulturrevolution
ist gerade vom Verlag angenommen worden, während die lang erwartete Biogra-
phie des schottischen Geschäftsmannes Ernst Major, der 1872 die einflussreichste
Tageszeitung Shanghais, die Shenbao y|x, veröffentlichte, zunächst kurz vor dem
Abschluss stehenbleiben musste.
Rudolf G. Wagner hat in vielen Bereichen und Sprachen gedacht. Die Wei-
te seines Horizonts zeigt sich vor allem im Journal of Transcultural Studies (Open
Access), das heute, im zehnten Jahr seiner Veröffentlichung, globale Resonanz
genießt. Die Zeitschrift war Rudolf Wagners Idee, sie wurde von ihm, noch bis
zu seinem letzten Tag mit einem Team von Kollegen herausgegeben. Nach zehn
Jahren hat sich gezeigt, dass das transkulturelle Paradigma noch um die Wirkung
von „nicht-nur-menschlichen“ Faktoren erweitert werden muss. Die Herausfor-
derungen der Gegenwart und lebhafte Debatten innerhalb der Sozial- und Natur-
wissenschaften über nicht weniger als die Zukunft der Menschheit selbst, haben
dazu geführt, dass auch in den Geisteswissenschaften die anthropozentrischen
Prämissen, die unserer wissenschaftlichen Praxis zugrunde liegen, kritisch hinter-
fragt werden. Rudolf G. Wagner gehörte erneut zu denjenigen, die vorangingen:
Er hat in diesem Bereich Pionierarbeit geleistet, wobei sich sein eigenes Interesse
in weiten, scheinbar unregelmäßigen, aber eigentlich genau konsekutiven Krei-
sen, mit Aufsätzen über lebensverlängernde Drogen, Biogas, Sinopsychologie und
kaiserliche Träume bereits diesem Themenfeld genähert hatte. Kontinuierlich hat
er sich in jüngster Zeit für die Notwendigkeit ausgesprochen, sich ernsthaft mit
Theorien des bio-sozialen Werdens, und mit den Dynamiken des ontogenetischen
Entwicklungssystems auseinanderzusetzen, in dem kulturelle Formen in gemein-
samer Aktivität mit dem Nichtmenschlichen entstehen, als Teil dessen, was Tom
Ingold beschreibt als eine „allumfassende Matrix von Beziehungen“, die sich ge-
genseitig bedingen. Die Kühnheit seiner Thesen und Annahmen auch in diesem
Bereich wurde immer von einer klaren Darstellung der Herausforderungen be-
gleitet, der sich eine so ehrgeizige Forschungs-Agenda stellen muss. Sein Motto:
Die beste Forschung erfordert es, die eigene Komfortzone zu verlassen und sich
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sätze) stellen Aspekte des kulturelle Erbes Chinas in einen breiteren Kontext und
untersuchen die Beziehungen zur Sowjetunion und anderen Ländern des Ost-
blocks sowie zwischen Europa, Japan, Korea und China, und hier wird die heikle
Frage der Asymmetrien und, wie auch Rudolf G. Wagner es nannte, der „aufholen-
den Modernisierung“ im China des 19. und 20. Jahrhunderts auf sehr subtile und
sensible Weise diskutiert.
Mit einer Reihe einflussreicher Werke über die frühe chinesische Presse und
über chinesische Enzyklopädien - immer im globalen Kontext - sowie Studien
über moderne Rekonfigurationen von Vorstellungen der Vergangenheit, des „Klas-
sischen“ und des nationalen Erbes, die China neben Indien, Ägypten, dem Iran
und der jüdischen und griechisch-römischen Welt erkundeten, wurde die Reihe
fortgesetzt. Ein neues Buch über das Filmschaffen während der Kulturrevolution
ist gerade vom Verlag angenommen worden, während die lang erwartete Biogra-
phie des schottischen Geschäftsmannes Ernst Major, der 1872 die einflussreichste
Tageszeitung Shanghais, die Shenbao y|x, veröffentlichte, zunächst kurz vor dem
Abschluss stehenbleiben musste.
Rudolf G. Wagner hat in vielen Bereichen und Sprachen gedacht. Die Wei-
te seines Horizonts zeigt sich vor allem im Journal of Transcultural Studies (Open
Access), das heute, im zehnten Jahr seiner Veröffentlichung, globale Resonanz
genießt. Die Zeitschrift war Rudolf Wagners Idee, sie wurde von ihm, noch bis
zu seinem letzten Tag mit einem Team von Kollegen herausgegeben. Nach zehn
Jahren hat sich gezeigt, dass das transkulturelle Paradigma noch um die Wirkung
von „nicht-nur-menschlichen“ Faktoren erweitert werden muss. Die Herausfor-
derungen der Gegenwart und lebhafte Debatten innerhalb der Sozial- und Natur-
wissenschaften über nicht weniger als die Zukunft der Menschheit selbst, haben
dazu geführt, dass auch in den Geisteswissenschaften die anthropozentrischen
Prämissen, die unserer wissenschaftlichen Praxis zugrunde liegen, kritisch hinter-
fragt werden. Rudolf G. Wagner gehörte erneut zu denjenigen, die vorangingen:
Er hat in diesem Bereich Pionierarbeit geleistet, wobei sich sein eigenes Interesse
in weiten, scheinbar unregelmäßigen, aber eigentlich genau konsekutiven Krei-
sen, mit Aufsätzen über lebensverlängernde Drogen, Biogas, Sinopsychologie und
kaiserliche Träume bereits diesem Themenfeld genähert hatte. Kontinuierlich hat
er sich in jüngster Zeit für die Notwendigkeit ausgesprochen, sich ernsthaft mit
Theorien des bio-sozialen Werdens, und mit den Dynamiken des ontogenetischen
Entwicklungssystems auseinanderzusetzen, in dem kulturelle Formen in gemein-
samer Aktivität mit dem Nichtmenschlichen entstehen, als Teil dessen, was Tom
Ingold beschreibt als eine „allumfassende Matrix von Beziehungen“, die sich ge-
genseitig bedingen. Die Kühnheit seiner Thesen und Annahmen auch in diesem
Bereich wurde immer von einer klaren Darstellung der Herausforderungen be-
gleitet, der sich eine so ehrgeizige Forschungs-Agenda stellen muss. Sein Motto:
Die beste Forschung erfordert es, die eigene Komfortzone zu verlassen und sich
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